Der Alchimist von Krumau
Spiegelsaal beschäftigt, mit Don Julius, Flor und dem Vater, die sie alle drei in Verwirrung gestürzt hatten, jeder auf seine Art. Zwischen den beiden Zofen, die abermals mit starren Mienen vor ihr knicksten, trat sie in die Frauengemächer, ein wahres Labyrinth ineinander verschachtelter Salons und Säle. Vom ersten Saal aus, der ganz und gar lachsfarben war – von den Seidentapeten über die Sessel bis zu den Brokatvorhängen – und offenkundig als Empfangsraum diente, zweigten Türen in alle Himmelsrichtungen ab. Hinter jeder offenen Tür erkannte sie weitere Zimmer in Violett und Rosa und hinter diesen neue Säle und Räume, weitere Türen, dahinter wieder kostbare Teppiche und Möbel, mit Gemälden und Gestellen bedeckte Wände, hohe Fenster, durch die in breitem Strahl die Sonne brach.
Von einer Art Schwindel erfasst, blieb Markéta mitten im Empfangszimmer stehen.
»Wenn Ihr die Güte hättet, uns zu folgen, Madame«, murmelte Lisetta.
»Aber wohin denn?«, rief die Baderstochter aus, die sich mehr und mehr fühlte wie im Traum. »Lasst doch den Unsinn, Mädchen, und sagt wie früher Markéta zu mir.«
»Das ist unmöglich«, erwiderte Bronja, »wir haben Anweisung, Euch als Herrin zu behandeln.«
Unbehaglich standen die beiden vor ihr, die Köpfe gesenkt, die Hände ineinander knetend.
»Das kann ja nur ein Missverständnis sein«, sagte Markéta,
»was denn sonst? Gerade eben bin ich in den gräflichen Dienst eingetreten, nicht anders als ihr.«
Die beiden Zofen wechselten Blicke, und zu Markétas Verblüffung wurde die hellblonde Lisetta bis hinauf zum scharf gezogenen Scheitel rot.
»Ein wenig anders schon, Madame«, wagte Bronja endlich zu bemerken.
Hinter ihren Demutsmasken spürte Markéta plötzlich die Verachtung der beiden. Aber weshalb nur, überlegte sie und musste neuerlich an den Vater denken, wie er mit gepresster Stimme zu Don Julius sagte: »Es war der sehnlichste Wunsch ihrer verstorbenen Mutter, Markéta wieder in gräflicher Obhut zu sehen.«
Warum hatte er nicht erwähnt, dass sie auch seine Tochter war? Weil er voraussetzte, zu Recht oder nicht, dass der Regent die Verhältnisse von sich aus durchschauen würde? Ja, so wird’s gewesen sein, sagte sich Markéta, die den beiden Zofen gefolgt war, ohne es recht zu bemerken, in einen zartrosa Nachbarraum hinüber und von dort in ein schmaleres Gelass. Ein großer Badezuber stand darin, zur Hälfte gefüllt mit dampfendem Wasser, von dem ein Aroma nach Wildrosen aufstieg.
Bronja trat hinter sie und löste ihr ohne weiteres die Haare, die in ihrem Nacken zu einem dicken Busch gebunden waren. Währenddessen knüpfte ihr Lisetta das Gewand auf, und ehe Markéta sich versah, stand sie splitternackt vor den beiden Zofen. Plötzlich befangen – dabei war sie unter Nackten aufgewachsen –, sputete sie sich, in den Zuber zu steigen, und tauchte bis zum Nabel ins angenehm warme Wasser ein.
»Ihr glaubt, dass ich gedungen wurde, um Don Julius zu Willen zu sein.« In den Gesichtern der beiden las sie, dass sie richtig geraten hatte. Sie horchte ihren Worten nach und wunderte sich, dass der Gedanke sie nicht ärger empörte. Unversehens schien das Antlitz des jungen Regenten wieder vor ihr zu schweben, der gierige, zugleich unstete Blick seiner braunen Augen, die geschwungene Linie seiner Lippen, die zuweilen leise zuckten, wie vor Ekel oder Schmerz. Wäre sie imstande, diese Lippen zu küssen? Für einen Moment schloss Markéta die Augen, rasch sah sie wieder auf. »Hab ich Recht, Lisetta? So antwortet doch! Bronja!«
Die beiden Mädchen wechselten erneut Blicke, blieben aber stumm. Lisetta begann ihr den Rücken abzureiben, und ehe Markéta noch etwas sagen konnte, tauchte Bronja eine Schale in den Zuber und goss ihrer neuen Herrin einen Schwall Wasser übers Haupt.
15
Wenn Julius irgendetwas noch ärger verabscheute als schönes Wetter, dann die schönen Künste, mit denen d’Alembert ihm seit Jahr und Tag in den Ohren lag. Erheiterung des Gemüts, Veredlung des Charakters, Verfeinerung der Seele und des Geistes – all diese und drei Schock weitere herzerwärmende Wirkungen pflegte der Maître seinen Beaux Arts nachzurühmen, offenbar ohne sich jemals einzugestehen, dass er, Don Julius, an keinem dieser Effekte auch nur das kärgste Interesse besaß.
Dennoch saß der junge Regent mit ergebener Miene auf einem Sessel im Fürstensalon, die nachgebildete Ottonenkrone abermals auf seinem Haupt, um die Schultern den
Weitere Kostenlose Bücher