Der Alchimist von Krumau
einen Augenblick entschuldigen. So ist es doch, Herr – Tákie?« Mit einem Lächeln wandte sie sich dem zweiten Mann zu.
Der bleckte die Zähne im schwarzen Bart. »Unçerek«, er deutete sogar eine Verbeugung an, »Tákie ist unten im Labor, Madame. Wir bereiten die Goldprobe vor, müsst Ihr wissen«, fuhr er in vertraulichem Ton fort und rückte näher an Markéta heran. »Und da wurd ich ausgeschickt, den Herrn Medikus zu fragen, ob er Magister Hezilow mit ein wenig ungelöschtem Kalk aushelfen kann.« Wieder bleckte er sein Gebiss, dabei mit einem Zischen ein-und ausatmend, sodass sich Speichelbläschen zwischen schadhaften Zähnen blähten.
Markéta atmete seinen fauligen Geruch ein, doch sie zwang sich, keinen Zoll vor dem Lumpenkerl zurückzuweichen. Er lügt, dachte sie, jedes einzelne Wort aus seinem Mund ist eine stinkende Lüge.
»Monsieur Unçerek also«, sagte sie stattdessen, sich aufs Neue dem gräflichen Heiler zuwendend. »Ich will Euch wie gesagt nicht lange behelligen. Verratet mir nur eines, werter Herr Medikus: Wie geht es dem jungen Nico? Wo liegt er? Kann ich ihn …«
»Das sind bereits drei Fragen, Madame«, fiel ihr von Rosert polternd ins Wort. »Aber um die Sache abzukürzen, denn ich bin wahrhaftig in großer Eile: Der Bursche wurde gestern von Herrn Tákie und dem Gardisten Mular hier bei mir abgeliefert. Ich war so umsichtig, die Wunde auszubrennen und den recht unzulänglichen Verband, den man ihm angelegt hatte, zu erneuern; gleich anschließend ist der Knabe davongehumpelt, ohne ein Dankes-oder auch nur Abschiedswort. So, Madame, nun wisst Ihr, wie es um Euren wackeren Schützling steht.« Grimmig sah er auf sie herab, die Augen zusammengekniffen, der Schädel so rot, als ob gleich das Blut unter der Haut hervorspritzen wollte. »Und wer zahlt mir nun die drei Groschen für Heilbehandlung, Verband und Spiritus, der Blutsenkung gar nicht zu gedenken?«
»Ihr habt ihn zur Ader gelassen?«, fragte Markéta erschrocken.
»Aber er hatte sowieso schon viel Blut verloren! – Und dann ist er davongegangen, sagt Ihr?«
Der Medikus nickte und wandte sich zugleich mit einer brüsken Bewegung ab. Markéta blieb noch einen Moment lang stehen, wo sie stand, inmitten des leeren, erschreckend großen Krankensaals. Sie glaubte von Rosert kein Wort, so wenig wie dem Lumpenkerl neben ihm, der sich Unçerek nannte. Dabei hätte sie schwören mögen, dass es einer der drei Gesellen war, die gestern an der Jagd teilgenommen hatten, höchstwahrscheinlich doch dieser Tákie, dachte sie, der den Verletzten mit Mular hierher gebracht hatte.
Im Augenblick aber konnte sie hier nichts weiter tun. Ohne ein weiteres Wort wandte sie sich um und verließ den Krankensaal. Noch ehe sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, begannen die beiden bereits wieder, sich murmelnd zu unterreden.
Der untere Burghof war von geschäftigem Leben erfüllt. Diener und Mägde liefen umher, aus den Viehställen gegenüber drangen Rufe und lautes Gelächter, vermischt mit Grunzen, Gackern und Quieken. Von der Backstube wehte der Duft frischen Brotes herüber, aber Markéta verspürte keinen Appetit, in ihrem Bauch rumorte noch immer quälende Unruhe.
Eine Weile stand sie neben der Spitalstür und sah zu, wie eine Gruppe junger Mägde Eimer voller Milch vom Kuhstall hinüber ins Butterhaus schleppte. Zwei Bäckerjungen traten aus der Backstube, Hucken voller Fladen auf dem Rücken, die sie in windesschnellem Wettlauf zur oberen Burg emportrugen. Im Winter vor fünf Jahren, dachte Markéta, hab auch ich als Kuchelmaid hier angefangen, und wenn damals nicht Graf Wilhelm das Zeitliche gesegnet hätte, wer weiß, vielleicht wär ich immer noch hier beim Gesinde.
Ihre Gedanken sprangen hin und her, und nur sie selbst stand weiter reglos neben der Tür. D’Alembert hatte ihr erzählt, dass unter den Burghöfen ein Labyrinth von Tunneln verliefe. Von morgens bis abends bewegten sich Ströme von Dienern durch diese Gänge, schleppten Speisen in den Herrschaftstrakt und die leeren Schüsseln zurück, trugen Kübel und Fässer, Wäsche und Gewänder, alles, was ein so riesiger Haushalt brauchte und verbrauchte, in unablässigem Gewoge hin und her.
Markéta stellte sich vor, wie Dutzende oder Hunderte von Dienern unter ihr durch die Tunnel flitzten, und mit einem Mal fühlte sie sich schrecklich allein und überfordert. Wenn Nicodemus nun doch nicht nach Hause gehumpelt war, wie der Medikus behauptet hatte, wenn er stattdessen
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