Der Alchimist von Krumau
von Hezilows Häschern in die alchimistischen Gewölbe verschleppt worden war, aus welchen grässlichen Gründen auch immer – was konnte sie schon gegen den Puppenmacher und seine Spießgesellen ausrichten? Und wenn Hezilow den armen Flor sogar oben im bewachten Frauengemach so sehr in Angst und Schrecken versetzen konnte, dass es dem Nabellosen aufs Neue Verstand und Sprache verschlug – was konnte sie schon tun, um Flor zu beschützen oder gar dem Russen das schwarze Handwerk zu legen?
Unter solchen Gedanken hatte sie sich gleichwohl wieder in Bewegung gesetzt, durchs tintenfinstere Durchhaus hinauf zur oberen Burg. Ich könnte Julius bitten, den Russen zur Rede zu stellen, dachte sie, aber nein, er würde höchstens halbherzig gegen Hezilow vorgehen, gerade jetzt, da der Puppenmacher angekündigt hatte, in Bälde Blei – oder Dreck, oder Sonnenstrahlen, was verstand sie schon davon? – in Gold zu verwandeln. Außerdem hatte Julius dem Moment entgegengefiebert, da er endlich mit Messer und Salpeter, mit Stroh und Lumpen darangehen konnte, die erlegte »majestätische Familie« als murmeläugige Bildwerke wiederzubeleben.
Und der Maître? Einen Moment lang schien es ihr möglich, ja wahrscheinlich, dass d’Alembert ihr gegen Hezilow beistehen würde. Aber er ist zu schwach, dachte sie dann, die »Unterwelt« unterliegt nicht seiner Gewalt, es ist eben »Hezilows Hölle«, und einzig Julius könnte den Puppenmacher dort unten in die Schranken verweisen. Außerdem rannte d’Alembert sicher längst wieder treppauf und treppab, um Anordnungen zu erteilen und Unterredungen zu führen, Briefe zu diktieren und Boten zu empfangen; der kleine Nicodemus und auch Flor waren für ihn allenfalls Bauern in einem verwickelten Schachspiel, das ihm unablässige Konzentration und alleräußersten Scharfsinn abverlangte.
Sie erreichte den dritten Burghof und ging mit langsamen Schritten weiter bergan, auf das riesige schwarze Gewölbetor zu. Es war geschlossen und verrammelt, was sie nicht sonderlich überraschte. Drei schwarzbärtige Gesellen standen davor, gegurtet mit Schwertern in langen Scheiden nach Hezilows Manier.
»Ich will mit Tákie sprechen«, verlangte sie und sah den drei Kerlen abwechselnd in die Augen.
»Er steht vor Euch, Madame«, antwortete einer von ihnen bereitwillig und deutete auf seinen Nachbarn; der jedoch schüttelte den Kopf und schob den dritten Kumpanen nach vorn:
»Der hier ist Tákie.«
Sie versuchte es noch einmal. »Dann seid Ihr also Oblion?«, wandte sie sich an den Ersten, der ihr so geflissentlich den falschen Tákie angepriesen hatte.
Er schüttelte den Kopf. »Fondor, Madame. Oblion ist mit Baschek noch im Jagdkastell.«
Fondor?, dachte sie. Und wieso waren zwei der Lumpenkerle im Kastell geblieben? Oder tischte der Geselle ihr Lügen auf? Aber vielleicht war es auch gar nicht der, mit dem sie als Erstes gesprochen hatte.
Verwirrt sah sie von einem zum andern. Immer wieder wechselten sie die Plätze, hin und her huschend wie Schatten. Wer von ihnen also war Tákie?
Alle drei Gesellen bleckten nun die Zähne im schwarzen Bartgewirr, genau wie vorhin Unçerek. Markéta verspürte den Drang, aufzuschreien oder ihnen mit der flachen Hand in die abscheulich gleichförmigen Fratzen zu schlagen. Aber sie zwang sich ruhig ein-und auszuatmen und überlegte, wie d’Alembert auf derlei dreistes Gebaren antworten würde.
Schließlich wandte sie sich um und ging langsam zurück, über den abschüssigen Hof, zwischen den aufgemalten Säulen, Nymphen und Satyrn. In ihrem Rücken spürte sie die Blicke der drei Lumpenkerle; niemals mehr, schwor sich Markéta, würde sie Leuten wie ihnen gestatten, Zeuge ihrer Verwirrung, Angst oder Ohnmacht zu sein.
Mit gleichmäßigen Schritten ging sie weiter und durchquerte aufs Neue das grabesschwarze Durchhaus. Diesmal lag der untere Burghof still in der brennend heißen Mittagssonne. Markéta ging weiter und weiter, und mit jedem Schritt wuchsen in ihr Unruhe und Unbehagen. Und doch musste sie weitergehen.
»Öffnet mir«, befahl sie den Gardisten am unteren Burgtor.
Sie schüttelte die Stelzschuhe von ihren Füßen, ließ sie im Innern der Burgmauern stehen und ging die Gasse hinunter, der schimmernden Moldau entgegen.
Lange, allzu lange hatte sie es vor sich hergeschoben, nun endlich würde sie mit ihm reden. Aus irgendeinem Grund schien es ihr, als ob diese Begegnung, vor der sie sich seit Wochen fürchtete, auch für den armen Flor heilsam sein
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