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Der Alchimist

Der Alchimist

Titel: Der Alchimist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulo Coelho
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vertraute dem Alten, der behauptet hatte, daß uns das gesamte Universum unterstützt, wenn wir etwas ganz fest wollen. Also holte er sein Geld aus der Tasche und zeigte es dem Neuankömmling. Der Besitzer der Bar näherte sich, um es auch sehen zu können. Die beiden wechselten ein paar heftige Worte auf arabisch. Der Barbesitzer machte einen aufgebrachten Eindruck. »Laß uns gehen«, meinte der Neuankömmling. »Er will uns hier nicht haben.« Der Jüngling war erleichtert. Er stand auf, um die Rechnung zu begleichen, aber der Barinhaber packte ihn beim Arm und redete wild auf ihn ein. Der Jüngling war zwar kräftig, doch er befand sich in der Fremde, und so war es sein neuer Freund, der ihm aus der Patsche half, den Barkeeper beiseite stieß und ihn mit ins Freie zog.
    »Er wollte dein Geld«, sagte er. »Tanger ist nicht wie das übrige Afrika. Wir sind hier in einer Hafenstadt, und in Häfen wimmelt es bekanntlich von Dieben.« Seinem neuen Freund konnte er wirklich trauen. Schließlich hatte er ihm aus einer kritischen Lage herausgeholfen. Er nahm das Geld aus der Tasche und zählte es.
    »Wir können schon morgen bei den Pyramiden sein«, sagte der andere und nahm das Geld. »Aber vorher muß ich noch zwei Kamele kaufen.« Nun schlenderten sie gemeinsam durch die engen Gassen von Tanger. Überall lagen Waren aus. Endlich kamen sie an einen großen Platz, auf dem Markt war. Es gab Tausende von diskutierenden Menschen, die kauften und verkauften, Gemüse, daneben Schwerter, Teppiche zusammen mit jeder Art von Pfeifen. Aber der Jüngling ließ seinen neuen Freund nicht aus den Augen. Der hatte ja sein ganzes Geld eingesteckt. Am liebsten hätte er es zurückverlangt, aber irgendwie erschien es ihm doch unhöflich. Immerhin kannte er noch nicht die Sitten in diesem fremden Land.
    >Ich brauche ihn nur zu beobachten<, beruhigte er sich, und außerdem war er kräftiger als der andere.
    Da bemerkte er mit einemmal, zwischen all dem Gemüse, das herrlichste Schwert, das er je gesehen hatte. Die Scheide war silbern und der Griff schwarz, bespickt mit bunten Steinen. Der Jüngling schwor sich, dieses Schwert bei seiner Rückkehr aus Ägypten zu kaufen. »Frag mal den Händler, was es kosten soll«, wollte er sich an seinen Freund wenden, da wurde ihm bewußt, daß er jenen für zwei Sekunden aus den Augen gelassen hatte, als er das Schwert betrachtete. Sein Herz zog sich zusammen. Er hatte Angst, zur Seite zu schauen, denn instinktiv wußte er, was passiert war. Sein Blick blieb noch für einige Augenblicke an dem schönen Schwert haften, bis er Mut gefaßt hatte und sich umwandte. Um ihn herum war der Markt mit den vielen schreienden und verhandelnden Menschen, die Teppiche neben den Haselnüssen, die Salate zwischen den Silbertabletts, die Männer, die sich an den Händen hielten, die verschleierten Frauen, der Duft exotischer Speisen, aber nirgends, wirklich nirgends eine Spur seines Freundes. Zuerst wollte er noch glauben, daß sie sich versehentlich aus den Augen verloren hatten. Er blieb ein Weilchen stehen, um auf den anderen zu warten. Nach einiger Zeit stieg jemand auf einen dieser Türme und begann zu singen; alle knieten nieder, schlugen mit der Stirn gegen den Boden und sangen ebenfalls. Anschließend bauten sie, eifrigen Ameisen gleich, ihre Stände ab und verließen den Platz.
    Die Sonne war schon am Untergehen. Der Jüngling sah ihr nach, wie sie langsam hinter den weißen Häusern verschwand, die den Platz säumten. Er dachte daran, daß er bei Sonnenaufgang noch auf einem anderen Kontinent war; er war ein Hirte gewesen, besaß sechzig Schafe und war mit einem Mädchen verabredet. Heute morgen auf der Weide hatte er noch einen genauen Überblick über sein Leben gehabt. Während jetzt, bei Sonnenuntergang, er sich in einem fremden Land befand, wo er nicht einmal die Sprache verstehen konnte, die hier gesprochen wurde. Er war auch kein Schäfer mehr und besaß absolut nichts mehr im Leben, nicht einmal das nötige Kleingeld, um zurückzufahren und von vorne zu beginnen.
    >Das alles zwischen Sonnenauf- und -untergang<, dachte er niedergeschlagen. Und er bekam Mitleid mit sich selber, denn manchmal ändern sich die Lebensumstände innerhalb eines Augenblickes, ehe man weiß, wie einem geschieht.
    Eigentlich schämte er sich zu weinen. Niemals hatte er vor seinen Schafen geweint. Aber jetzt war der Markt menschenleer, und er war fern der Heimat. Der Jüngling weinte. Er weinte, weil Gott ungerecht war und

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