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Der Alchimist

Der Alchimist

Titel: Der Alchimist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulo Coelho
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die mir in meinem Leben noch blieb. Nun konnte ich in Frieden sterben, und das war ein gutes Gefühl. Doch eines Tages bebte die Erde, und der Nil stieg über seine Ufer. Das, von dem ich glaubte, daß es nur den anderen passieren könnte, ist mir selber geschehen. Meine Nachbarn befürchteten, ihre Olivenbäume bei der Überschwemmung zu verlieren, meine Frau befürchtete, daß unsere Kinder ertrinken könnten. Und ich hatte panische Angst, es würde zerstört, was ich in Besitz genommen hatte. Aber es half nichts. Der Boden wurde untauglich, so daß ich einen anderen Weg zum Unterhalt meiner Familie finden mußte. So bin ich heute Kameltreiber. Aber da begriff ich die Worte Allahs: Niemand muß das Unbekannte fürchten, weil jeder Mensch das erreichen kann, was er will und was er braucht. Wir fürchten uns lediglich vor dem Verlust dessen, was wir besitzen, fürchten um unser Leben oder unsere Pflanzungen. Aber diese Angst vergeht, wenn wir begreifen, daß unsere Geschichte und die Geschichte der Erde von derselben Hand geschrieben wurden.«
10
    Manchmal begegneten sich zwei Karawanen bei Nacht. Immer hatte die eine das, was der anderen gerade fehlte - so, als ob tatsächlich alles von der gleichen Hand geschrieben würde. Die Kamelführer tauschten Informationen über Sandstürme aus und versammelten sich um die Feuer und erzählten Geschichten über die Wüste.
    Ein anderes Mal kamen geheimnisvolle Kapuzenmänner; es handelte sich um Beduinen, die die Route der einzelnen Karawanen ausspionierten. Sie warnten vor Räubern und wilden Stämmen. Sie kamen im stillen und gingen im stillen, in ihrer schwarzen Kleidung, aus der nur die Augen hervorsahen.
    In einer dieser Nächte kam der Kameltreiber an das Lagerfeuer, wo der Jüngling und der Engländer saßen.
    »Es gibt Gerüchte, daß es zu einem Krieg zwischen den Stämmen kommen könnte«, sagte er.
    Dann schwiegen alle drei. Der Jüngling bemerkte, daß Angst in der Luft lag, obwohl niemand etwas sagte. Wieder einmal konnte er die wortlose Sprache verstehen, die universelle Sprache.
    Nach einiger Zeit fragte der Engländer, ob Gefahr bestehe. »Wer in die Wüste geht, kann nicht umkehren«, antwortete der Kamelführer. »Wenn es kein Zurück gibt, müssen wir die beste Möglichkeit finden, vorwärts zu kommen. Alles Weitere überlassen wir Allah, einschließlich der Gefahr.« Und er schloß mit dem geheimnisvollen Wort: Maktub. »Du solltest die Karawanen genauer beobachten«, sagte der Jüngling zu dem Engländer, nachdem der Kameltreiber gegangen war. »Sie machen viele Umwege und steuern doch immer dasselbe Ziel an.« »Und du solltest mehr über die Welt lesen«, entgegnete der Engländer. »Bücher sind genauso lehrreich wie Karawanen.
    Der lange Zug von Menschen und Tieren begann sich schneller vorwärts zu bewegen. Nicht nur tagsüber ging es schweigend voran; auch in den Abendstunden, wo sich die Leute immer um die Lagerfeuer versammelt hatten, um sich zu unterhalten, wurde es jetzt immer stiller. Eines Tages entschloß der Anführer sich sogar, keine Feuer mehr anzünden zu lassen, um keine Aufmerksamkeit auf die Karawane zu lenken. Sie bildeten einen äußeren Ring aus Tieren, während sich die Menschen in der Mitte zusammendrängten, um sich so vor der Kälte zu schützen, und der Anführer ließ bewaffnete Wächter um die Gruppe herum aufstellen. In einer jener Nächte konnte der Engländer nicht einschlafen. Er rief den Jüngling, und sie gingen durch die Dünen, die sich um das Lager herum erstreckten, spazieren. Es war eine Vollmondnacht, und der Jüngling erzählte dem Engländer seine ganze Geschichte.
    Der Engländer war fasziniert von dem Kristallwarengeschäft, das solche Fortschritte gemacht hatte, als der Jüngling dort zu arbeiten begann. »Das ist das Prinzip, was allem zugrunde liegt«, sagte er. »In der Alchimie nennt man es die Weltenseele. Wenn du dir etwas aus tiefstem Herzen wünschst, dann bist du der Weltenseele näher. Sie ist immer eine positive Kraft.« Er sagte noch, daß dies nicht nur eine Eigenschaft des Menschen sei: Alles auf Erden besitzt eine Seele, egal, ob es sich um ein Mineral, eine Pflanze oder ein Tier handelt oder lediglich um einen Gedanken. »Alles, was auf Erden existiert, verändert sich ständig, weil die Welt lebt und eine S eele besitzt. Wir sind Teil dieser Seele, und selten wird uns bewußt, daß sie einen unser Tun begünstigenden Einfluß hat. Aber du solltest wissen, daß in jenem Laden sogar die

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