Der Alchimist
sich sein Herz. Nachts konnte der Jüngling wieder ruhig schlafen, und als er erwachte, erzählte ihm sein Herz von der Weltenseele Es sagte, daß jeder glückliche Mensch Gott in sich trage Und daß das Gluck in einem einfachen Sandkorn der Wüste zu finden sei, genau wie es der Alchimist gesagt hatte Denn ein Sandkorn ist ein Augenblick der Schöpfung, und das Universum hat Millionen von Jahren dazu benötigt, es hervorzubringen »Jeder Mensch auf Erden hat einen Schatz, der ihn erwartet«, sagte sein Herz »Wir Herzen sprechen jedoch wenig von diesen Schätzen, weil die Menschen sie schon gar nicht mehr entdecken wollen Nur den Kindern erzählen wir davon Dann überlassen wir es dem Leben, jeden seinem Schicksal entgegenzuführen Aber leider folgen nur sehr wenige dem Weg, der für sie vorgesehen ist und der der Weg zu ihrer inneren Bestimmung ist und zum Glück. Sie empfinden die Welt als etwas Bedrohliches - und darum wird sie auch zu etwas Bedrohlichem. Dann sprechen wir Herzen immer leiser, aber ganz schweigen tun wir nie. Und wir hoffen, daß unsere Stimme überhört wird. Wir wollen nämlich nicht, daß die Menschen leiden, weil sie nicht ihren Herzen gefolgt sind« »Warum drängt die Stimme des Herzens nicht d arauf, daß der Mensch seinen Träumen folgen soll?« fragte der Jüngling. »Weil dann das Herz am meisten leidet. Und die Herzen scheuen das Leid«, erläuterte der Alchimist.
Seit jenem Tag verstand der Jüngling sein Herz. Er bat, daß, wenn er sich von seinen Traumen einmal entfernen sollte, es sich in seiner Brust zusammenziehen solle, um ihn zu warnen. Der Jüngling versprach auch, daß er diese Warnung immer beachten wolle.
Über all dies sprach er an jenem Abend mit dem Alchimisten, und dieser verstand, daß sich das Herz des Jünglings nun der Weltenseele zugewandt hatte.
»Was soll ich jetzt tun?« fragte der Jüngling. »Gehe in Richtung der Pyramiden. Und achte weiterhin auf die Zeichen. Dein Herz ist schon dafür bereit, dir den Schatz zu zeigen«. »War es das, was mir noch fehlte?« »Nein«, erwiderte der Alchimist »Was du noch wissen mußt, ist folgendes. Immer, bevor ein Traum in Erfüllung geht, prüft die Weltenseele all das, was auf dem Weg gelernt wurde. Sie macht das nicht etwa aus Bosheit, sondern damit wir gemeinsam mit unserem Traum auch die Lektionen in Besitz nehmen, die wir auf dem Pfad dorthin gelernt haben. Das ist der Moment, wo die meisten aufgeben. In der Sprache der Wüste nennen wir das verdursten, wenn schon die Palmen am Horizont sichtbar werden Eine Suche beginnt immer mit dem Anfängerglück Und sie endet immer mit der Prüfung des Eroberers« Der Jüngling erinnerte sich an ein Sprichwort aus seiner Heimat, das besagt, daß die dunkelste Stunde die vor Sonnenaufgang ist.
27
Am nächsten Tag tauchte das erste wirkliche Gefahrenzeichen auf. Drei Krieger näherten sich und fragten, was die beiden hier zu suchen hätten. »Ich bin mit meinem Falken auf der Jagd«, antwortete der Alchimist. »Wir müssen euch durchsuchen, um festzustellen, ob ihr bewaffnet seid.« Der Alchimist stieg langsam von seinem Pferd. Der Jüngling tat es ihm nach.
»Wozu so viel Geld?« fragte ein Krieger, als er die Tasche des Jünglings durchsuchte.
»Um nach Ägypten zu kommen«, antwortete er.
Der Wächter, der den Alchimisten durchsuchte, fand ein kleines Kristallgefäß mit einer Flüssigkeit und ein gelbliches Glasei, etwas größer als ein Hühnerei.
»Was sind das für Dinge?« wollte er wissen.
»Der Stein der Weisen und das Lebenselixier. Das Große Werk der Alchimisten. Wer von diesem Elixier einnimmt, wird niemals krank, und ein Splitter dieses Steines kann jedes Metall in Gold verwandeln.« Die Wächter lachten aus voller Kehle, und der Alchimist lachte mit. Sie fanden die Antwort äußerst witzig und ließen sie unbehelligt weiterziehen, mit all ihren Habseligkeiten.
»Bist du wahnsinnig?« fragte der Jüngling den Alchimisten, als sie sich schon ein Stück entfernt hatten. »Warum hast du das gesagt?« »Um dir eine einfache Regel über den Weltenlauf zu zeigen«, antwortete der Alchimist. »Wenn wir die wirklich großen Schätze vor uns haben, erkennen wir es nie. Und weißt du auch, warum? Weil die Menschen nicht an Schätze glauben.« Sie zogen weiter durch die Wüste. Mit jedem Tag, der verstrich, wurde das Herz des Jünglings ruhiger. Es wollte nichts mehr von den vergangenen Dingen wissen, und auch nichts von den zukünftigen; es begnügte sich damit, sich
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