Der Algebraist
mächtige Klippe.
Auf diese Mauer, die sich nach den Seiten und nach oben
erstreckte, so weit das Auge reichte, rasten sie in voller Fahrt zu.
Unter ihnen brodelte eine unruhige Masse aus noch dunklerem Gas wie
Suppe in einem Kessel. Der Wind wurde stärker und spielte auf
den Relingen, dem Takelwerk und den Antennen wie auf einem gewaltigen
Instrument. Die ganze Poaflias vibrierte und summte.
»Schätze, es wird Zeit, nach unten zu gehen«, rief
Hatherence.
Eine Julmicker-Blase – offenbar die letzte, die noch
übrig war – wurde von der Reling gerissen, traf Y’sul,
schleuderte ihn nach Steuerbord und verschwand im heulenden Sturm.
»Schon möglich«, pflichtete Y’sul ihr bei.
»Nach Ihnen.«
Sie drängten sich mit Slyne mittschiffs auf dem gepanzerten
Sturmdeck unter eine dicke Diamantblase und beobachteten von dort,
wie sich die Poaflias mit der Nase in den Sturm bohrte wie ein
Torpedo, der in einen horizontal daherkommenden Tintenwasserfall
geschossen wurde. Das Schiff ächzte in allen Fugen und begann,
sich um sich selbst zu drehen. Alle wurden gegeneinander geworfen.
Die Poaflias verschwand hüpfend und schwankend wie ein
Dweller-kind am Ende einer Harpunenleine in der schwarzen Mauer.
Slyne stieß einen Jubelschrei aus, zog an verschiedenen
Hebeln und drehte an Rädern. Seine Hauskinder drückten sich
wimmernd an die Wände des ovalen Raumes.
»Muss das den wirklich sein?«, wandte sich Fassin an
Y’sul.
»Ich bezweifle es!«, sagte der Dweller. Auf einer
großen Tafel über Slyne leuchteten erste Lichter auf. In
der Dunkelheit wirkten sie besonders hell.
Hatherence deutete darauf. Dutzende von weiteren Lichtern begannen
zu blinken. »Was ist das?«
»Schadensanzeigen!«, erklärte Slyne, der weiter
Hebel betätigte und an Rädern drehte. Das Schiff sackte
jäh ab. Alle wurden an die Decke geschleudert und stürzten
wieder zurück.
»Das dachte ich mir«, sagte Hatherence. Das Schiff
machte eine heftige Wendung. Sie wurde gegen Fassin geschleudert und
entschuldigte sich.
Als die blinkenden Lichter zu aufdringlich wurden, schaltete Slyne
die Tafel einfach ab.
Während der schlimmsten Turbulenzen warf sich eines von
Slynes Hauskindern auf seinen Herrn und musste weggerissen und
bewusstlos geschlagen werden, bevor man es in ein Gepäckfach
werfen konnte. Niemand wusste, ob es verzweifelt Schutz gesucht hatte
oder ihn angreifen wollte.
Y’sul wurde übel. Fassin hatte noch nie gesehen, wie
sich ein Dweller übergab. Er klebte wieder an der Decke, bedeckt
mit einer Schicht von schleimigem Erbrochenem. Slyne bemühte
sich fluchend, die Kontrolle über die Steuerung zu behalten. Auf
allen Seiten heulten seine Hauskinder. Jemand murmelte:
»Scheiße, jetzt müssen wir alle sterben.«
Hinterher wollte es niemand gewesen sein.
Dann hatte die Poaflias die tosende Sturmwolke
durchbrochen, geriet in eine riesige, dunstige Flaute und
stürzte wie ein Eisenklumpen in die Tiefe. Slyne atmete Gas ein,
um einen Jubelschrei auszustoßen, und bekam dabei etwas von dem
mit, was Y’sul von sich gegeben hatte. Der Schrei blieb ihm in
der Kehle stecken. Er hustete und würgte und verfluchte
Y’suls Vorfahren bis zurück in die Zeit kurz nach dem
Urknall. Es gelang ihm nur mit Mühe, das Schiff abzufangen und
wieder auf ebenen Kiel zu legen. Er nahm Verbindung zur
Regattaleitung auf, und sie schleppten sich mit letzter Kraft –
die Poaflias hatte alles Takelwerk, die Relinge und vier von
ihren sechs Triebwerken verloren – zum Unteren Jachthafen und
auf einen Liegeplatz in einer Reparaturwerft für
Sturmgeschädigte.
Wenn man hinaufschaute in das mächtige Gewölbe des
Sturms und weiter durch den Dunst in den sternenübersäten
Himmel, konnte man winzige Punkte erkennen, die langsam vor dem
harten Lichtschein kreisten.
- Die Abholflotte und alle Relaisschiffe befinden sich im
Orbit, teilte Hatherence Fassin mit.
Sie befanden sich auf einer steil ansteigenden Aussichtsgalerie
mit vielen, mit Dwellern voll besetzten Rängen. Die Galerie hing
an der Dzunda, einem Luftschiff von einem Kilometer
Länge, das dicht an der Sturmmauer schwebte, und war durch
Rippen aus Carbonfaser geschützt, die sich explosionsartig
aufrichten würden, falls ein Schiff zu nahe käme – ein
halbwegs sicherer Ort also, um sich ein GasClipper-Rennen anzusehen.
Zu beiden Seiten der fächerförmig angebrachten Sitzgruben
konnten sich riesige Bildschirme aufrollen, um die Höhepunkte
anderer Rennen zu zeigen und Ereignisse zu
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