Der Algorithmus der Liebe: Roman (German Edition)

Softwareabteilung eine kleinlaute SMS des Abteilungsleiters. »Warnung an alle«, schrieb Jamie. »OBs Vorgabe fürs heutige MIST : Das menschliche Herz in Zahlen fassen.« Sam liebte Jamie dafür, dass er den unerhört wichtigen Agenturchef OB nannte, was für Oberboss stand. OB hatte kürzlich verfügt, dass die Softwareabteilung den Arbeitstag mit einem Meeting im Stehen beginnen sollte. Dahinter stand die Idee, dass die Agentur die wertvolle Zeit ihrer brillanten Programmierer nicht mit einem richtigen Meeting verschwenden, sondern sich auf ein kurzes Zusammentreffen auf dem Flur beschränken wollte. Meist dauerten diese Zusammenkünfte allerdings genauso lange, nur dass man auf die Annehmlichkeiten von Stühlen und Gebäck verzichten musste. Jamie nannte sie daher MIST , was offiziell für Meeting Im STehen stand. Auch dafür liebte Sam ihn. Und dafür, dass er es mit der Pünktlichkeit nicht ganz so genau nahm. So hatte Sam Zeit, noch einmal zurückzurennen und sich bequemere Schuhe anzuziehen.
    »Es geht um Folgend es«, begann Jamie, sobald auch Sam auf dem Agenturflur eingetroffen war. »OB findet, dass wir ein besseres Motto brauchen. Manche Partnervermittlungen versprechen die interessantesten Verabredungen, manche brüsten sich mit der höchsten Heiratsquote. OB will noch eins draufsetzen, schließlich erweisen sich zu viele Verabredungen als Reinfall, und zu viele Ehen enden in Scheidung. Was ist also besser als eine Verabredung oder eine Ehe?«
    » Freundschaften mit gewissen Vorzügen?«, spekulierte Nigel aus Australien.
    » Eine Seelenverwandtschaft! «, erklärte Jamie. »O B will einen Algorithmus, mit dessen Hilfe man seinen Seelenverwandten findet. Und aus diesem Grund wende ich mich an euch. Mit der Liebe ist es so eine Sache. Zu viele unbekannte Größen. Die Seele folgt nun mal keiner Logik, und das Herz hat auch noch ein Wörtchen mitzureden. Wie lässt sich das alles auf einen Nenner bringen? Und wie drückt man es in Zahlen aus und programmiert es? Wir sind Programmierer, also ist genau das unsere Aufgabe. Wir müssen es irgendwie hinkriegen. Also sagt mir, wie.«
    »Indem wir die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass eine Verabredung im Bett e ndet«, sagte Nigel. »Zwanglose Verabredungen führen öfter und früher zu Sex. Und je weiter man beim ersten Date geht, desto mehr Informationen hat man über die sexuelle Kompatibilität.«
    »Funktioniert ni cht«, widersprach Rajiv aus Neu-Delhi. »Verabredungen sind Scheiße.« Darin waren sich alle Softwareentwickler außer Nigel einig.
    » Wirklich kein Spaß«, bestätigte Gaurav aus Mumbai.
    »Man ist immer t otal verkrampft«, sagte Arnab aus Assam.
    »Und es ist alles bloß Fake «, ergänzte Jay araj aus Chennai. Fünf indische Bundesstaaten, die Sam in- und auswendig kannte, seit er als Softwareentwickler arbeitete: Delhi, Assam, Maharashtra, Tamil Nadu, Westbengalen. »Bei Verabredungen mit Frauen macht man immer einen viel schlechteren Eindruck als sonst «, fuhr Jay araj fort. »Man kriegt keine zwei zusammenhängenden Sätze heraus, ohne wie ein Volltrottel zu klingen. Man stottert herum, man schneidet heikle Themen an und macht sich zum Affen, was man sonst nie tun würde .«
    »Oder man versucht besser rüberzukommen, als man eigentlich ist«, ergänzte Sam. »Was genauso wenig der Wahrheit entspricht. Man zieht sich schick an, macht sich die Haare und legt Make-up auf, obwohl man in Wirklichkeit den ganzen Tag in Yogaklamotten und mit Haarband herumläuft.«
    »Make-up?« Jamie sah ihn ungläubig an und hob eine Augenbraue.
    »Haarband ?«, wunderte sich Jayaraj.
    »Wir brauchen eine dritte Pa rtei«, schlug Arnab vor. »Wie die Hindu-Astrologen, die jeden im Dorf seit Generationen kennen und Ehen arrangieren, die von der Geburt bis zum Tod Bestand haben.«
    »Heiratsvermittler gibt es in vielen Kulturen. Japanische Nakodos, jüdische Schadchen.« Gaurav hatte an der University of California Anthropologie studiert. »Seit Urzeiten werden Ehen arrangiert, und diese Heiratsvermittler haben eine ganz entscheidende Wahrheit verinnerlicht.«
    »Und die wäre?«, fragte Jamie.
    »Für wen die Leute s ich halten und was sie angeblich suchen hat nicht das Geringste mit dem zu tun, was sie tatsächlich sind und wollen«, erklärte Gaurav altklug. »Daher berücksichtigen die weisen Dorfältesten stattdessen, wer man wirklich ist und wer gut für einen wäre. Manchmal haben sie sogar magische Fähigkeiten. «
    »Ich habe aber keine