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Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Titel: Der Allesforscher: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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gleichen Abend Simon und der Andreashund gute Freunde wurden. Ohne daß Simon sich auf das Tier gestürzt hätte, wie einige andere Kinder das taten, ihn auf eine Weise streichelten, als wollten sie ihm die Ohren abreißen. Simon begnügte sich anfangs damit, den Hund anzuschauen. Der Hund kam dann und lehnte sich gegen Simon wie gegen einen dünnen Baum, an dem er sein Fell und seine roten Balken rieb.
    Bald würden die beiden im Schnee herumtollen und gemeinsam vor der Küche stehen, um bei Auden zu betteln. Der Hund würde neben dem Jungen auf der Bank liegen, wenn dieser Go spielte. Sie würden so ungemein geschwisterlich wirken, denn das gibt es ja auch, daß Tiere und Kinder miteinander verwandt sind. Mit dem Unterschied, wie wenig das Älterwerden bei Simon und Andreas dazu führen würde, einander aus dem Blick zu verlieren und sich bloß noch an den Feiertagen zu begegnen, im Rauch ausgeblasener Kerzen stehend.
    In der Nacht, die diesem erfolgreichen Tag folgte – ein Hund war gefunden, ein altes Foto entdeckt, ein Aufstieg und eine Abfahrt überlebt worden –, geriet ich in einen Traum, der zunächst ohne größere Bedeutung schien. Da war wieder viel vergoldetes Zeug zu sehen, viel Dekor, verschwommen, dann klar. Ich befand mich auf einer Einkaufsstraße. Die Gestaltung der Auslagen war ein wenig merkwürdig. Viele lebende Leute posierten in den Schaufenstern, hatten Preisschilder auf Stirn oder Wangen gesteckt. Ich dachte mir: »Little Sonja was here.«
    Und dann sah ich ihn wieder: den Kleiderschrank. Er stand in einer von diesen Vitrinen, umgeben von Damen in Bikinis, dazu Sand, Strandkörbe, Sonnenschirme, ein gemaltes Meer und ein gemalter Himmel. Aber dies war im wahrsten Sinne Staffage. Wichtig war allein der Schrank, der sich nun öffnete. Der Zehn-Millionen-Mann stieg in der bereits gewohnten Manier – mit seiner Harpune voran – aus dem Wasser, brach in der Folge mit Leichtigkeit durch die Scheibe und landete sicher auf dem Gehweg.
    Ich befand mich auf der anderen Straßenseite und war frech genug hinüberzurufen: »Mein Lieber, Sie wiederholen sich.«
    Er zog seine Tauchermaske und die Kapuze seines Neoprenanzugs herunter und beutelte kopfschüttelnd die Feuchtigkeit aus dem weißen Haar. Er grinste mit seinen gut erhaltenen Zähnen und erklärte: »Sie irren sich, Sixten Braun, wenn es bloß eine Wiederholung wäre, wäre ich nicht in der Lage, jetzt auf Sie zu schießen.«
    Er richtete seine Harpune auf mich. Ein nagelneues Ding, sehr viel jünger als er selbst. Die Spitze samt Widerhaken glänzte im Sonnenlicht. Sauberster Federstahl. An einer Blutvergiftung würde ich ganz sicher nicht sterben. Aber sehr wohl an der Wunde, die dieses Instrument an und in mir verursachen würde.
    Ich lachte verkrampft und meinte: »Absurd, Sie wissen doch auch, daß das hier ein Traum ist. Wie wollen Sie mich da töten? Ehrlich!?«
    Der Zehn-Millionen-Mann machte große Augen, schien irritiert.
    Was war es, das ihn durcheinanderbrachte? Die Feststellung, daß wir uns – ich lebend, er tot – in einem Traum befanden? Oder die Feststellung, wie wenig es mich real umbringen würde, fiktiv gemordet zu werden? Dann aber folgte ich seinem erstaunten Blick und erkannte … erkannte einen Laster, der um die Ecke kam. Darauf ein gewaltiger Pottwal. Mindestens fünfzehn Meter. Der Schwertransporter hatte Schwierigkeiten mit der engen Kurve. Polizisten halfen. Auch mehrere Passanten. Man hob einen geparkten Kleinwagen ein Stück auf den Gehsteig, damit es sich für den dermaßen beladenen Lkw ausgehen konnte.
    »Was hat der Wal hier verloren?« beschwerte sich der Zehn-Millionen-Mann.
    Nun, ich wußte es ja auch nicht, sagte aber: »In meinem Traum kann ich so viele Wale auftreten lassen, wie ich will.«
    »Das machen Sie nur, um mich zu verwirren.«
    »Ehrlich gesagt, verwirrt es mich selbst.«
    Mir kam der Gedanke, daß, wenn die Toten in den Träumen der Lebenden unterwegs waren, dies möglicherweise auch für die Tiere galt, jene, die gestorben waren, auch sie vor ihrer Zeit. Ich war mir ganz sicher, daß es sich um den gleichen Wal wie damals in Tainan handelte. Ich hatte ihn mir nicht ausgedacht, ihn nicht herbeigefleht, wirklich nicht. Einmal hatte mir gereicht.
    Der Laster schaffte die Kurve und kam nun die Straße hoch, direkt auf uns zu. Ich ahnte, was geschehen würde. Daß dieser Wal ein zweites Mal explodieren wollte. Sein Schicksal wiederholend. Vielleicht auch, um diesmal besser zu

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