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Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Titel: Der Allesforscher: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Teufelsaustreibung aufdrängt? Oder ich die CIA anrufen soll, in meiner Familie wäre E.T. untergetaucht?«
    Mercedes lachte laut auf und legte mir seine Hand auf den Schenkel. Er bat mich um Verzeihung. Dann sagte er: »Für die Kirche und die CIA ist der Simon viel zu gescheit. Oder denken Sie, daß die Leute dort noch eine meisterhafte Zeichnung von einer Stümperei unterscheiden können? Im Ernst, lieber Braun, was ich sagen wollte, ist das folgende: Sie haben ja gemeint, ich würde Sie an einen Mann erinnern, den Sie einst in Köln, als Sie Kind waren, kannten und den Sie den Allesforscher genannt haben. Nun gut, mag ja sein, daß ich dem alten Knaben von damals ähnlich sehe, vielleicht einfach, weil ich jetzt selbst ein alter Knabe bin und sich im Grunde der eine Alte vom anderen Alten nicht wirklich unterscheidet. Was ich aber ganz sicher nicht bin, ist ein Allesforscher, ein Universalgelehrter. Ihr Sohn aber, Simon, er ist genau das. Mir scheint, daß er sich für alles interessiert, alles durchleuchtet. Darum auch zeichnet er. Das ist eine konservative, aber immer noch praktikable Methode, den Dingen auf die Spur zu kommen. Ich sage nicht, er ist ein Außerirdischer, aber wäre er einer, wäre es da nicht auch viel klüger, als Kind daherzukommen und nicht wie ein blöder Tourist mit einer Handykamera alles abzufotografieren?«
    Simon als Allesforscher? Als der neue Allesforscher? Also nicht etwa als Reinkarnation des Mannes, den ich einst in Köln so geliebt hatte und der mir soviel mehr Vater gewesen war als mein eigener Vater, sondern eben ein Kind, ein Mensch, der in der Tradition der Allesforschung stand.
    Ich gestehe, mir gefiel die Vorstellung, mir Simon als Allesforscher zu denken und weder als geistig behindert noch als absonderlich genialen Grenzfall, gleich diesen Leuten, die sich niemals im Leben ein Frühstück zubereiten können, aber unglaubliche Algorithmen im Kopf ausrechnen. Simon konnte durchaus ein Frühstück zubereiten, und zwar genau so, wie man es sich bei einem Neunjährigen vorstellte. Er putzte seine Zähne schlampig und wollte im Kino den neuesten Ice-Age- Film sehen und nicht etwa die Godard-Retrospektive besuchen, er konnte weder die Lottozahlen voraussehen noch mittels seiner Gedanken Menschen Nasenbluten bereiten, aber es stimmte, sein Blick auf die Welt war genau und umfassend, und seine Zeichenkunst – die abstrakte wie die konkrete – ein Hinweis auf sein Studium der Welt, die sichtbare wie die unsichtbare.
    Er war ein Allesforscher und war dennoch ein Kind.
    Ich sagte zu Mercedes: »Ich denke, Sie haben recht.«
    »Ich helfe, wo ich kann«, meinte der verdiente Messerwerfer, schaute nun auf seine Uhr und äußerte: »Wir müssen los! Damit sich alles ausgeht.«
    Also nahmen wir das steile Schlußstück in Angriff und stiegen in kurzen Serpentinen nach oben zur Hütte. Die Wolkendecke war aufgebrochen und die Blaue Periode als Fragment sichtbar geworden.
    Oben am Gebäude standen viele im Freien und genossen die Sonnenstrahlen. Man ahnte auch hier, daß diese »Beruhigung«, diese Erschöpfung eines wahnsinnig gewordenen Wetters nicht lange anhalten würde. Niemand wollte es riskieren, nach unten ins Tal zu marschieren. Die einzigen, die hier etwas riskierten, waren wir selbst, nur um einen Hund abzuholen.
    Wir wurden vom Hüttenwirt empfangen, der uns an die Theke einlud und eine Flasche Schnaps öffnete. Wir hoben die gefüllten Gläser, die wie kleine durchsichtige Tulpen zwischen unseren Fingern baumelten, und stießen an.
    Da sich die meisten Leute jetzt draußen befanden und ein himmlisches Bruchstück bewunderten, war es hier drinnen verhältnismäßig leer und ruhig. So konnte ich das anrückende Geräusch vernehmen. Es war ein Tappen. Viele kleine Schritte. Als würde gerade eine Gruppe Zwerge von der Arbeit heimkommen.
    Es waren aber keine Zwerge. Es war ein Hund, der sich langsam näherte, in kleinen Kurven, so daß man ihn von beiden Seiten sehen konnte. Er war mittelgroß, hellgrau, mit kurzem, struppigem Fell. Irgend jemand hatte mit roter Farbe je ein Kreuz rechts und links auf sein Fell gesprüht, in Form eines X. Als wären seine Flanken Zielscheiben. Aber das war nur ein dummer Gedanke. Niemand würde den Hund der Tulfeinalmchefin als Zielscheibe verwenden. Die Kreuze waren wohl als Markierung gedacht, damit man das Tier im Schnee besser sehen konnte.
    Er knurrte nicht und wedelte nicht, sondern war in einem kurzen Abstand zu uns erstarrt. Er hatte

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