Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Titel: Der Allesforscher: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
Vom Netzwerk:
meines einstigen Sitznachbarn aus dem Meer gefischt hatte, sollte ich nie erfahren. Ich fragte auch nicht danach. Schließlich hatte ich nicht mal seinen Namen gekannt. Niemand konnte wissen, daß wir auch nur ein Wort gewechselt hatten.

8
    Das eigentlich Fatale an dieser Geschichte bestand darin, daß ich als Folge meiner Rettung nicht nach Taiwan, sondern nach Okinawa geriet, von wo aus ich zurück nach Tokio geflogen wurde. Um nach einer medizinischen Untersuchung, die nichts als meine Unversehrtheit bestätigte, in die deutsche Heimat gebracht zu werden. Ich wehrte mich, aber ich wehrte mich umsonst. Ich war zur »diplomatischen Angelegenheit« geworden. Es schien den deutschen Behörden von großer Bedeutung, selbst nachzuschauen, ob ich tatsächlich so heil geblieben war wie behauptet. Weyland Europe wiederum wollte mich umgehend aus dem operativen Geschäft ziehen. Maître Schmidt drückte es so aus: »Wenn jemand so oft zur falschen Zeit am falschen Ort ist, zeugt das entweder von seiner Unfähigkeit, Katastrophen auszuweichen, oder es zeugt davon, daß er von Gott gestraft ist – und von Gott gestrafte Menschen haben bei Weyland eigentlich nichts verloren.«
    Ich erwiderte ihm: »Immerhin habe ich gleich zweimal überlebt.«
    Worauf er antwortete, und zwar im Ernst: »Nehmen wir an, Sie sind verflucht, und es gibt kein Ende. Und Sie geraten ständig in solche Dinge. Wie sieht das denn aus? Manchmal ist es besser, ehrenvoll zu sterben.«
    »Wollen Sie, daß ich aus dem Fenster springe?«
    »Ich sagte ehrenvoll . – Aber niemand will Sie tot sehen. Es wäre uns nur wichtig, daß Sie sich nicht weiter in Gefahr bringen. Irgendwo auf der Welt, wo alle zuschauen. Um dann von Ihnen auf Weyland zu schließen. Nein, ich möchte Sie hier im Haus haben, wo Sie halbwegs sicher sind.«
    »Ich bin Reisender und kein Bürohengst, das wissen Sie.«
    »Jetzt ist vor allem Ihre Flexibilität gefragt«, sagte er. »Sehen Sie es als ein Zeichen. Vielleicht will eine höhere Macht, daß Sie in Köln bleiben. Man kann auch hier etwas leisten.«
    »Sie glauben an höhere Mächte?«
    »Stellen Sie sich nicht dumm, Herr Braun, das ist ein Gleichnis. – Sie werden ab sofort in die Abteilung Produktanalyse versetzt.«
    »Da passe ich nicht hin.«
    »Niemand zwingt Sie zu bleiben.«
    »Ach ja, daher weht der Wind.«
    »Den Wind, den haben Sie selbst mitgebracht, mein Lieber.«
    »Produktanalyse also!«
    »Richtig«, sagte er und gab mir ein deutliches Zeichen, mich postwendend genau dort zu melden.
    Es versteht sich, daß ich noch von Japan aus versuchte, Lana zu erreichen. Doch es gelang mir erst, als ich bereits in Köln war. Sofort versprach ich ihr, bei der nächstbesten Gelegenheit nach Tainan zu reisen.
    »Unsinn«, sagte sie, »das bringt nichts. Was war, war gut, und dabei können wir’s belassen. Sehen Sie es ein, Sie und ich sind nicht füreinander bestimmt. Wahrscheinlich ist das ohnehin niemand. Man geht von einem zum anderen.«
    »Das muß nicht sein, Frau Doktor.«
    »Wo es nicht so ist, ist es irgendein Klebestoff, der die Leute zusammenhält. Und wer glaubt, die Liebe würde zu den Klebestoffen gehören, hat zu viele Romane gelesen.«
    »Sie tun nur so hart.«
    »Nein«, sagte sie, »ich bin tatsächlich aus Stahl.«
    »Wenn, dann aus Edelstahl«, schmeichelte ich und wiederholte, so bald als möglich zu ihr reisen zu wollen.
    Doch Frau Dr. Senft meinte: »Sie würden kaum unverletzt bleiben, würden Sie versuchen, Tainan zu erreichen.«
    »Jetzt fangen Sie auch noch an!«
    »Wundert Sie das?« sagte sie. Ich konnte dabei richtiggehend ihre Lippen sehen, die Luft zwischen den Lippen, wie diese Luft zusammengepreßt und auseinandergezogen wurde. Keine Fäden, sondern eine elastische Blase. Eine Blase im Farbton der sich spiegelnden Zunge. Eine Zunge, die ich einst geschmeckt hatte.
    »Ich werde kommen«, erklärte ich fest.
    Sie seufzte. Mehr nicht. Ich schickte ihr einen letzten Gruß durchs Telefon und wartete, bis sie aufgelegt hatte. Eine ganze Weile horchte ich in das rauschende Nichts hinein, dann legte ich ebenfalls auf.
    Unbegreiflich, wie es geschehen konnte, daß ich niemals zu dieser Reise aufbrach. – Sicher, zunächst einmal hatte ich einiges zu tun, war gezwungen, meine neue Position bei Weyland anzutreten und den Leuten dort zu beweisen, nicht der Trottel zu sein, für den sie mich neuerdings hielten. Ich mußte fürchten, wegen meiner beiden Unfälle zum tragischkomischen Außenseiter geworden

Weitere Kostenlose Bücher