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Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Der Allesforscher: Roman (German Edition)

Titel: Der Allesforscher: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Ecke aus, sprang hinter dem Mann her und erreichte ihn, als er gerade nach der Schwimmweste griff.
    »Lassen Sie das!« rief ich, wobei ich meine Faust drohend hochhob.
    Er wandte sich um, lachte mir ins Gesicht und fragte: »Wollen Sie mich noch mal niederschlagen?«
    Eigentlich schon, dachte ich mir, zog den Arm aber zurück.
    »Klug von Ihnen, diesmal hätte ich mich nämlich gewehrt.«
    Ich gab ein »Ach was!« von mir und drehte mich von ihm weg. Wobei ich – gezielt oder nicht, ich weiß es nicht – die Schwimmweste mit dem Fuß ankickte. Kraftvoll genug, daß sie davonflog und sich dem Zugriff des Zehn-Millionen-Manns entzog. Sofort lief ich hinterher, erwischte das Plastikteil, untersuchte es rasch nach einer Sitzbezeichnung, und tatsächlich …
    Ich konnte nur den grundsätzlichen Umstand einer kurzen Aufschrift feststellen, mehr nicht. Mein Kontrahent war herangetreten. So massig er war, verfügte er über enorme Wendigkeit. Ein alter Judoka wohl. Denn im gleichen Moment, da er das andere Ende der Schwimmweste packte, vollzog er mit dem gestreckten linken Fuß eine Sichelbewegung und fegte meine Füße vom Untergrund. Ich ließ die Weste los, wirbelte hoch und schlug mit meiner rechten Flanke hart am Boden auf.
    Ich brüllte vor Schmerz. Der Schmerz drückte eine Träne aus meinem Auge. Eine schwere Träne, die sich anfühlte, als hänge so ein kleiner, mit Wasser gefüllter Ballon an meinem Lidrand. Eine Bombe. Ich fluchte: »Verdammt, Sie Hund, wollen Sie mich umbringen?!«
    »Aber nein«, sagte er ruhig lächelnd, in jeder Hinsicht von oben herab. »Der Tod ist keine Strafe. Wenn man tot ist, schläft man und kann nicht büßen. Sie sollen aber büßen. Sie verdienen keinen himmlischen Schlaf, sondern ein weltliches Gefängnis.«
    Ich erklärte ihm, während ich mich stöhnend aufrichtete, dann aber auf meinem Hintern sitzen blieb: »Ich lebe auch nicht hinter dem Mond, ich habe ebenfalls meinen Anwalt.«
    In diesem Moment ging ein kräftiger Ruck durch die Boje. Etwas mußte uns gerammt haben. Der stämmige, breitfüßige Zehn-Millionen-Mann geriet aus dem Gleichgewicht, derart, daß es ihn aus dem Stand heraus bis ans Ende des Raums katapultierte. Es mochte durchaus eine sportliche Haltung sein, die er da im Flug einnahm, eine turnerische, aber es änderte nichts daran, daß er ungebremst gegen die Wand prallte.
    Mein Glück war allein, noch immer auf dem Boden zu sitzen. Mehr, als ein Stück zu schlittern, geschah nicht mit mir.
    Anders als der pensionierte Froschmann. Ich hörte seinen Kopf brechen. Einen Kopf, der gegen ein vorstehendes Metallteil schlug. Ich vernahm dies mit derselben Eindeutigkeit, wie wenn ein Teller auf den Boden fällt und zerspringt.
    Dieser Schädel hatte aufgehört, ein intaktes Gefäß zu sein. Und keine Erste Hilfe würde daran etwas ändern können. Nur ein Wunder. Aber Wunder waren gestern, bevor die Wissenschaft Gott verscheucht hatte.
    Entgegen meiner Erwartung breitete sich jedoch nirgends eine Blutlache aus, bloß ein Pünktchen Rot zierte den Mundwinkel. Als wär’s ein Schönheitsfleck an untypischer Stelle. Aus der Nase und dem Ohr allerdings sickerte eine klare Flüssigkeit, die wohl aus dem Hirn dieses Mannes stammte. Doch sogar das wirkte fast harmlos. Weniger harmlos mutete hingegen die tiefe Grube an, die an der Schläfe entstanden war … anders gesagt: Die Schläfe war völlig verschwunden, statt dessen klaffte eine richtiggehende Kuhle, ein Schläfenkrater von rotblauer Färbung. Dasselbe Rotblau, das die erstarrten und etwas vorgetretenen Augen des Mannes umrahmte. Er war ganz offenkundig tot, ich konnte mir sparen, seine Halsschlagader abzutasten. Hier war nichts wiederzubeleben. Das Gesicht dieses Mannes erinnerte nicht nur optisch an den Marsmond Phobos, sondern war auch genauso menschenleer.
    Ich blieb erstaunlich ruhig. War ich erleichtert? Nicht wirklich erleichtert, aber …
    Sagen wir mal so: Der Mann würde für immer seinen Mund halten, ohne daß ich etwas dafürkonnte. Unfälle geschahen nun mal. Das Schicksal war zu derartigen Dingen fähig: jemanden ein Flugzeugunglück überleben zu lassen, um dann beim Stolpern seinen Tod herbeizuführen.
    Ich stieg die Leiter nach oben, öffnete die Luke und trat auf die kleine Plattform. Der Himmel war klar, doch es ging ein kräftiger Wind, und die See war bewegt. Bewegt genug, um ein mehrere Meter langes Fragment des Flugzeugrumpfs herangeschwemmt und gegen die Boje geschleudert zu haben. Mich

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