Der Allesforscher: Roman (German Edition)
Hallenklettern fragte ich mich auch jetzt: »Was tue ich hier bloß?«
Simon saß hinten und befand sich mit Donald Duck auf Abenteuer im Dschungel.
Endlich bat ich Kerstin, sie möge statt mir fahren. Aber sie weigerte sich. Sie erklärte, ihr fehle die Routine für eine solche Strecke.
»Mir auch«, gab ich zurück.
»Aber es ist dein Wagen. Du kennst seine Macken.«
»Er hat keine Macken«, sagte ich. Meine Stimme bebte.
»Wenn er keine Macken hat, warum willst du dann, daß ich ihn fahre?«
»Mein Gott«, fuhr ich sie an, »weil ich diese Straße unmöglich finde. Schau doch, wie es da runter geht.«
»Also, so schlimm ist das wirklich nicht.«
»Wenn das nicht so schlimm ist, warum tauschen wir dann nicht?«
»Weil ich – wie ich dir schon gesagt habe – ungeübt bin«, erklärte Kerstin. Und fügte an: »Wenn ich fahre, dann mit ’ner Automatik. Außerdem machst du das eh ganz okay.«
Ich machte es mitnichten »eh ganz okay«. Weshalb ich nach viel zu langer Qual den Wagen ausfahren ließ und am bergseitigen Rand der Straße parkte.
»Was ist denn jetzt los?« gab Kerstin von sich. Es war ein Keifen in ihrer Stimme. Ich hoffte sehr, daß dieses Keifen mit der Zeit nicht zunehmen würde. Keifen war das Schlechteste, was jemand für seinen Teint tun konnte. Der ständig keifende Mensch wurde grauer als jede Taube. – Vor allem aber fragte ich mich, ob sich Kerstin dumm stellte oder nicht. Mir war klar, daß ihr diese Fahrt genauso unangenehm war wie mir. Bloß befand sie sich dank des Beifahrersitzes meistens auf der Seite der Steigung, wenn sie nicht ohnehin die Augen geschlossen hielt, freilich vorgab, sich ausruhen zu wollen. Sie betete wohl, es möge bald vorbei sein. (Für die meisten Autofahrer mochte eine solche Strecke nicht das geringste Problem darstellen, aber die meisten Autofahrer fuhren gerade woanders, etwa da oben auf der Autobahn.)
Und genau dorthin wollte ich nun ebenfalls.
»Wir kehren zurück bis zur nächsten Auffahrt und erledigen den Rest auf der Autobahn.«
»Du bist der Kapitän.«
»Stimmt.«
»Soll ich Musik spielen?« fragte sie.
»Nein, keine Musik.«
Ich wendete und fuhr zurück, nun immerhin ein ganzes Stück lang mich auf der Bergseite wissend. Kerstin schlief .
Wir erreichten also die Brennerautobahn, die hier A 13 hieß, ich bezahlte meine »Strafe« (denn genau als das empfand ich in diesem Moment die Mautgebühr, freilich als eine Strafe, die absolut gerechtfertigt war), und wir gerieten auf eine Strecke, die in ganz wunderbarer Weise vergessen ließ, wie hoch man sich eigentlich befand. Ein Kokon von Autobahn, für welchen der Beton und der blaue Himmel die Hülle bildeten.
So fuhren wir angstfrei dahin und erwarteten die Ausfahrt, die uns nach St. Jodok bringen würde. Nur leider fehlte eine solche Ausfahrt. Beziehungsweise waren wir gezwungen, über den anvisierten Ort hinaus weiter auf der Autobahn zu bleiben und diese erst ein Stück später zu verlassen, wo sich aber keinerlei Möglichkeit fand, auf die richtige Seite des Tals zu gelangen. Wenn’s nicht etwa daran lag, daß wir einfach zu blöd waren, die Anweisungen des Navis zu befolgen. Jedenfalls mußten wir eine ganze Weile auf der falschen Seite zubringen und gelangten schließlich auf eine Straße, die sich als die schlimmste überhaupt herausstellte.
»Scheiße, du Armer!« sagte Kerstin, als wir die Serpentinen abwärts rollten und allein der Umstand dichter Bewaldung die Angst milderte. So konnte man das Gefühl haben, bei einem möglichen Absturz zwischen den Stämmen hängenzubleiben. Aber »Scheiße, du Armer!« war gar nicht das, was ich hören wollte. Auch machte es mich wütend, daß Simon auf der Rückbank zu singen angefangen hatte. Er schaute fortgesetzt in sein Comicbuch und trällerte ein unbekanntes Lied.
»Kannst du jetzt vielleicht Ruhe geben!« Dabei wandte ich mich reflexartig zu ihm um.
»Meine Güte«, sagte Kerstin und faßte mich am Arm, »nicht umdrehen!«
Sie hatte recht.
Und alle zusammen hatten wir das Glück, daß uns kein Wagen entgegenkam. Die Straße war so eng, es hätten kaum zwei Wagen nebeneinandergepaßt. Es war eher eine Straße für Matchboxautos.
Doch wir schafften es. Wir erreichten Steinach und fuhren von dort wieder auf der recht eben verlaufenden Landesstraße nach Stafflach, wo wir in ein Nebental einbogen, das uns nach St. Jodok führte. Als die Straße aber kurz nach dem Ortsende erneut anfing, steil zu werden, erklärte ich:
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