Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman
frisch gebügelte blaue Uniform. Seine Wangen waren eingefallen, und sein Gesicht war angespannt, als er mich ansah, als sei er nur unter größter Selbstbeherrschung in der Lage, einen Gefühlsausbruch zu verhindern.
Andre verlas eine Grabrede, und ich konzentrierte mich darauf, sie in mein Merkheft zu übertragen, um, so gut es ging, die vorwurfsvollen Blicke zu ignorieren, die so gut wie jeder Anwesende mir zuwarf.
»Es heißt, Randall Jennings habe zum Schluss Dreck am Stecken gehabt, aber in all den Jahren, die ich ihn kannte, blieb er sauber«, sagte Andre. Seine Stimme bebte.
»Als ich vierzehn war, machten sich einige der Mistkerle aus der Nachbarschaft an mich ran und sagten, ich solle für sie dealen, an der nächsten Ecke. Sie richteten Kids ab, auf der Straße und auf Schulhöfen Drogen für sie zu verticken. Wer einmal da reingeriet, kam nur im Krankenwagen wieder raus. Ich standseit gerade ungefähr zwanzig Minuten an einer Ecke, als Randall mich am Kragen packte und auf den Rücksitz seines Streifenwagens warf. Und ich weiß, er hätte mich festnehmen können, ich wäre in den Jugendknast gewandert. Weiß Gott, wo ich heute wäre, wenn er das getan hätte.«
Er hielt einen Moment inne und betupfte seine Augen mit einem Taschentuch.
»Stattdessen brachte er mich ins Haus meiner Großmutter und erzählte ihr, was ich getan hatte. Und, in Gottes Namen, sie hat mir eine Tracht verabreicht. Aber an die Ecke ging ich nie wieder zurück. Randall Jennings war gnädig zu mir. Randall Jennings hat mir das Leben gerettet. Und was auch immer er sonst getan haben mag, ich weiß, dass er am Tag meiner Rettung das Werk Jesu getan hat. All jene, die nicht hergekommen sind, um dabei zu sein, wenn er begraben wird, alle, die nicht kommen, um mit seiner Familie zu beten, sie alle erinnern sich nicht daran, was er für diese Stadt getan hat und für so viele von uns. Aber ich, ich werde es nicht vergessen.«
Ich hatte keinen Grund, auch nur einem seiner Worte zu misstrauen, denn soweit man wusste, war Jennings sauber geblieben, bis er von dem Nazigold hörte, und daher war der ganze Schlamassel in gewisser Weise meine Schuld. Das meine ich ernst. Schön, Feely war derjenige, der ihm die meisten Einzelheiten erzählt hatte, aber Feely schwamm in meinem Fahrwasser. Keine Frage, der Anstifter war ich.
Ich erinnerte mich, dass ich nach Brians Tod zum Rabbi unserer Synagoge ging, um mit ihm zu reden. Er sagte, Gott prüfe uns und Verlust sei eine dieser Prüfungen. Er sagte, ich möge an die Geschichte vom Garten Eden denken und daran, wie die Schlange Eva dazu verführt hatte, die Frucht vom Baum der Erkenntnis zu essen. Die Christen, erklärte er, glaubten, die Schlange sei der Teufel, älter als die Welt und böse, erpicht darauf, Gottes Plan zunichtezumachen. Aber Juden kannten keinen Teufel. Die Schlange war nur eine Schlange, und sie befandsich im Garten Eden, weil Gott sie geschaffen und ihr dort den Platz gegeben hatte.
»Randall erklärte immer, die Arbeit der Polizei in dieser Stadt zu verrichten, sei wie hüfttief in einem Fluss aus Unrat zu waten«, sagte Andre. Ich erinnerte mich, dass Jennings es ein wenig anders ausgedrückt hatte. »Ich nehme an, nachdem er fünfundzwanzig Jahre zugeschaut hatte, wie sich der Abschaum nahm, was er wollte, wie sich Geschäftsleute und Immobilienmakler nahmen, was sie wollten, und wie sich Politiker schamlos bedienten, ist Randall irgendwann schwach geworden. Leicht ist es nicht, den Dingen den Rücken zu kehren, die du begehrst.«
Vielleicht war Jennings der Teufel, oder vielleicht war ich die Schlange. Vielleicht hatte ich ihn vom Pfad der Rechtschaffenheit gelockt. Aber höchstwahrscheinlich war er ganz einfach ein fieser Mistkerl und niemand fieserem begegnet, bis er mich getroffen hatte. Doch Jitzchak Steinblatt hatte etwas gesagt, das die Wahrheit sein mochte: Dass es Menschen gab, die krank wurden und dann zu sehr Gefallen am Töten fanden. Von denen könnte Jennings einer gewesen sein, ob das Nazigold existierte oder nicht.
Ich denke, so oder so war es eben ausgegangen, wie es ausgegangen war. Tot ist tot, wie Tequila mir gesagt hatte. Also, hinauf nach Walhalla mit Buck Schatz und zur Hölle mit Randall Jennings. Der alte Mann, den ich für Jennings’ Vater hielt, schluchzte laut. Die Witwe des Detective sah zu mir herüber. Ihre Unterlippe zitterte. Felicia Kinds Hand drückte meine Schulter und gemahnte mich, diese Leute nicht zu bedauern.
»Du bist ein
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