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Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Titel: Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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glasige Weiß seiner Augäpfel schimmerte bräunlich. Sein langsamer, röchelnder Atem roch nach Siechtum. Der Mann sah furchtbar aus.
    »Gut siehst du aus, Jimmy«, sagte ich. »Bist bestimmt bald wieder auf ’m Damm.«
    Ein rasselndes Husten. »Glaub ich nicht, Buck. Schätze, dass ich nicht mehr allzu lange bei euch auf dieser Welt bleibe.« Seine kraftlose Hand versuchte sich so gut wie erfolglos an einer dramatischen Geste.
    »Wenn doch alles anders wäre«, sagte ich und meinte damit, Jim möge netterweise sterben, ohne mich zu behelligen.
    »Lieber Gott, wie konnten wir nur so alt werden?«
    »Hätte ich’s kommen sehen, wäre ich aus dem Weg gegangen.«
    Er nickte, als würde es ihm einleuchten. »Es bedeutet mir so viel, dass du hier bist.«
    Ich verstand nicht, warum es Jim so wichtig sein sollte, seineletzten Stunden mit jemandem zu verbringen, der ihn für ein ziemliches Arschloch hielt. Vielleicht fand er Trost in plumper Vertraulichkeit.
    Mit zitterndem Finger wies er auf Norris und Emily. »Geht mal kurz raus«, forderte er sie auf. »Muss einen kleinen Kriegsrat mit Buck abhalten, und zwar unter vier Augen.«
    »Dad, der Krieg ist sechzig Jahre her«, sagte Emily. Ihr lief die Nase, und ihre Oberlippe war feucht von Schnodder.
    »Erzähl du mir nicht, was wann ist.« Sein Blick schien einen Moment lang zu schwimmen, und er musste ein paar Mal ganz bewusst blinzeln, um sich wieder zu orientieren. »Ich weiß, was ich sagen muss. Zu Buck sagen muss. Also los.«
    »Daddy, bitte.« Ihre Stimme bebte.
    »Vielleicht sollte ich lieber nach Hause fahren«, sagte ich hoffnungsvoll. Aber Jim hatte mich am Handgelenk gepackt, und ich war verblüfft, wie kraftvoll er mich festhielt.
    »Nein, Buck bleibt«, keuchte er und fuchtelte mit dem Finger in Richtung seiner Tochter. »Wir wollen ungestört sein.«
    Norris legte einen schützenden Arm um Emilys Schulter und führte sie behutsam aus dem Zimmer. Die Tür schloss sich hinter ihnen, und ich war allein mit dem Sterbenden. Ich wollte meinen Arm aus seiner gelblichen Klaue befreien, aber er ließ nicht locker.
    »Jim, ich weiß, du bist leicht verwirrt, aber der Krieg ist schon sehr lange vorbei«, sagte ich.
    Er setzte sich ein wenig auf, und durch die Anstrengung geriet sein Körper ins Zittern. Die eingefallenen gelben Augen traten jetzt aus den Höhlen hervor, und sein schlaffer Unterkiefer verrenkte sich vor Seelenqual. »Ich hab ihn gesehen«, sagte er. Rasselnde Geräusche drangen aus seiner Kehle. »Ich hab Ziegler gesehen.«
    Schon beim Klang des Namens drehte sich mir der Magen um. Heinrich Ziegler war der SS-Offizier gewesen, der das Kommando über das Kriegsgefangenenlager hatte, in das manuns 1944 steckte, nachdem unsere Einheit in Südfrankreich abgeschnitten und überrannt worden war.
    »Ziegler ist tot, Jim«, sagte ich ihm. »Als Berlin fiel, wurde er von den Russen erschossen.«
    »Ich weiß, dass er nicht besonders nett zu dir war, Buck, als er herausfand, dass du Jude bist.«
    Unwillkürlich rieb ich mit der freien Hand über das zerfurchte Narbengewebe auf meinem Rücken. »Nett war er keineswegs. Aber er ist tot.« Ich war überzeugt, dass es stimmte. Ich hatte mich bei Kriegsende auf die Suche nach Ziegler begeben.
    »Wahrscheinlich tot. Wahrscheinlich inzwischen tot. Aber ich hab ihn gesehen. Vergib mir.«
    Er klammerte sich immer noch an mein Handgelenk, und mir wurde allmählich übel. Von dem, was Jim sagte, oder auch wegen des Gestanks, der von ihm ausging.
    »Was meinst du damit?«
    »Als MP hab ich 1946 eine Straßensperre zwischen Ost und West bewacht, und da kam er in einem Mercedes-Benz vorgefahren.«
    »Nein.« Ich spürte einen Kloß im Hals aufsteigen. »Unmöglich.«
    Jim starrte ausdruckslos auf die Wand und schien mich gar nicht zu hören. »Seine Papiere trugen einen anderen Namen, aber ich erkannte ihn auf den ersten Blick«, sagte er. »Gott verzeih mir, dass ich ihn laufen ließ.«
    »Warum?« Mein Mund war ausgetrocknet. Nebenwirkung all der verfluchten Pillen, die ich nahm. Ich schluckte mit Mühe. »Wieso solltest du so etwas tun, Jim?«
    »Gold. Er hatte eine ganze Menge Goldbarren dabei. Wie im Film. Ich erinnere mich noch, dass sein Wagen hinten aussah wie tiefergelegt. Wegen dem vielen Gold. Er gab mir einen von den Barren, und ich ließ ihn fahren.«
    »Verdammte Scheiße.«
    »Wir hatten kein Geld. Hatten von Kind auf nie was gehabt. Und wir wollten ein Haus kaufen. Eine Familie gründen.«
    Ich sagte nichts.

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