Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman
.357 Magnum Revolver hielt, der keine Dienstwaffe war. Und ihn gegen seine Rippen presste.
»Übers Altwerden würde ich mir keine so großen Sorgen machen«, riet ich ihm.
Bei diesem Abstand brauchte ich meinen Arm nicht ruhig zu halten. Bei diesem Abstand brauchte ich den Rückschlag nicht abzufangen. Bei diesem Abstand konnte ich nicht vorbeischießen. Also tat ich nichts, als eine gewaltige Schallwelle hervorzurufen, den Aufschrei des Widerstands hinauszuposaunen und dem Schatten, der mich verdunkelte, meine ganze Wut entgegenzuschleudern. Und obwohl die Detonation meine Ohren zu betäuben schien, war ich ziemlich sicher, Randall Jennings’ Eingeweide hinter ihm an die Wand klatschen zu hören.
Tequila hatte den Schießprügel zusammen mit den Zigaretten und meinem Merkheft von Zuhause mitgebracht. Er wusste, dass ich mich ohne ihn nicht wohlfühlte.
Und wenn ich schlief, hatte ich ihn unter dem Kopfkissen liegen. Dafür gab es zwei Gründe:
Erstens bin ich verdammt abergläubisch. Ich hasse Geburtstage, aber am allerverdammtmeisten hasse ich Krankenhäuser. Und wenn der Mensch Angst bekommt, dann hält er sich an das, was ihm Sicherheit gibt. Da bin ich keine Ausnahme.
Der zweite Grund war General Dwight D. Eisenhower.
Die Geschichte behält Eisenhower im Gedächtnis, weil er die Achsenmächte zerschlagen hat und er der vierunddreißigste Präsident der Vereinigten Staaten wurde. Aber ich erinnerte mich daran, dass er einem angsterfüllten jungen Soldaten riet, woran er sich festhalten sollte, wenn alles andere verloren schien.
Fünfundsechzig Jahre lang hatte ich mich an den Befehl des Generals gehalten, und als ich meinem Feind in der Dunkelheit ins Gesicht blickte, als ich schwach war und verzagt, war ich nicht allein. Nicht ganz allein. Lawrence Kind hatte Jesus bei sich, als der Tod zu ihm kam. Ich hatte Smith & Wesson.
Jennings stützte sich immer noch auf seinen rechten Arm. Seine linke Hand hielt eine Ecke meines Merkhefts fest. Er wollte sprechen, aber alles, was zwischen seinen Lippen hervordrang, war Schaum aus rosa Bläschen, denn von seiner rechten Lunge war kaum mehr übrig als eine breiige Masse.
»Sorry, Randall«, sagte ich. »Aber wenn Sie an meiner Stelle wären, würden Sie dasselbe tun.«
Jennings ließ das Merkheft los und klaubte unter seinem Jackett in der Achselhöhle, um seine Waffe aus dem Halfter zu ziehen. Aber ich presste nur den .357 gegen seinen rechten Kiefer, drückte auf den Abzug und dann waren sein linkes Auge und der obere Teil seines Kopfes verschwunden. Sein Körper brach über mir zusammen.
Als mir die hundert Kilo schwere Leiche in den Schoß fiel, war es, als schlüge ein Vorschlaghammer auf einen Klumpen Brotteig ein. Trotz der Tabletten brannte und stach es höllisch, und ich war nicht kräftig genug, mich von dem Körper zu befreien. Unter den unglaublichen Schmerzen bemerkte ich kaum die Wärme und Feuchtigkeit, die sich um meine Beine und meinen Hintern ausbreiteten, während Jennings in die Laken sickerte.
Ich griff hinter mich nach dem Knopf, um die Schwester zu rufen. Doch da meine Beine unter der Leiche eingeklemmt waren, musste ich mich verdrehen und sprengte dabei alle meine Wundnähte. Ganz kurz blitzte das dunkle Zimmer gleißend hell auf, und ich dachte, meine kühne Heldentat sei umsonst gewesen: Wahrscheinlich hatte ich zum letzten Mal die Sonne aufgehen sehen. Es wäre aber nicht so schlimm. Tequila würde ganz gewiss so gescheit sein, zu rekonstruieren, was sich zugetragen hatte. Er würde es schaffen, seine Unschuld zu beweisen und, längst nicht so wichtig, ebenfalls die von Feely, der es nicht verdient hatte, einen Mordverdacht mit ins Grab zu nehmen.
Ich riss mir die Sauerstoffsonde aus der Nase und warf sie so weit von mir, wie es ging. Dann nahm ich die Schachtel Luckysvom Tablett neben dem Bett. Ich schüttelte die letzte Zigarette heraus, steckte sie mir zwischen die Lippen und gab mir Feuer.
Ich nahm einen tiefen Zug und hielt den Rauch in der Lunge. Ich fand, wenn es die letzte war, musste sie auch lange halten.
Die diensthabende Schwester, eine weiße Frau mittleren Alters, tauchte ungefähr fünf Minuten später auf, nur eine Silhouette in der Türöffnung des dunklen Zimmers.
»Was haben wir denn für ein Problem, Mister Schatz?«, fragte sie.
»Ich glaube, ich habe hier eine Schweinerei angerichtet«, sagte ich zu ihr.
»Ach, das muss Ihnen absolut nicht peinlich sein«, sagte sie leise kichernd. »Das passiert immer
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