Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman
deswegen war ich wieder da, wo ich angefangen hatte.«
»Sie haben Feely eingebuchtet, Ihren Partner. Warum?«
»Ich hatte niemals vor, das Gold mit ihm zu teilen, und ich brauchte ihn als Sündenbock für den Mord an Kind. Ich hatte vor, ihn umzulegen und es Ihnen anzuhängen.«
Deswegen hatte er uns auch gemeinsam in den Verhörraum gebracht. Feely hatte angenommen, dass Jennings beobachtete, was in dem Raum vor sich ging, und unser Gespräch belauschte. Aber der Raum war wie eine versiegelte Kiste. Niemand konnte sehen, was sich drinnen abspielte, und genau darum ging es. Wäre ich allein oder mit Tequila im Polizeirevier aufgetaucht,wäre ich in den Raum geschickt worden, und Feely hätte man in einem Leichensack rausgetragen. Ohne Beweis fürs Gegenteil hätte Jennings mich, den senilen Waffennarren, dieses wandelnde Pulverfass, beschuldigt, den Verdächtigen umgebracht zu haben. Ich hatte diesen perfiden Plan durch Zufall zunichtegemacht, als ich mit der Witwe des Reverend aufgetaucht war. Sie hatte gesehen, dass ich Feely lebend zurückgelassen hatte. Da das also nicht aufgegangen war, tötete Jennings Jitzchak Steinblatt, um Tequila die Morde anzuhängen.
»Wie konnten Sie unschuldigen Menschen all das antun?«
Jennings lachte. »In Memphis werden in diesem Jahr mehr als hundertsechzig Morde begangen werden. Wahrscheinlich werden wir Detroit und Newark den Rang als gewalttätigste Stadt Amerikas ablaufen. Ein paar mehr Morde machen da nicht viel aus. Dass jemand wie Lawrence Kind aufgeschlitzt wurde, wird vielleicht sogar bewirken, dass sich die Menschen über die Verbrechensrate aufregen und die Stadtverwaltung zusätzliche Mittel lockermacht, um der Polizei unter die Arme zu greifen. Aber wie auch immer, ich reiß mir nicht länger den Arsch auf, um diese Stadt sicherer zu machen. Ich verabschiede mich mit einem goldenen Handschlag.«
»Max Heller und ich waren nur selten gleicher Meinung, Randall, aber er wäre genauso angewidert von Ihnen, wie ich es bin. Sie haben Ihre Ideale verraten, etwas Schlimmeres gibt es nicht. Sie werden es bereuen, wenn Sie noch lange genug leben.«
»Wenn ich das tue, trockne ich mir die Tränen mit Bündeln von Geldscheinen und dann bessere ich meine Laune, indem ich auf Ihr Grab pisse. Wo wir beim Thema sind, wie hätten Sie es denn nun gern?«
Ich seufzte. »Ich glaube, ich möchte die Situation für meine Familie nicht schlimmer machen, als es sein muss.«
Ich griff mit der rechten Hand, aus der Schläuche kamen, zum Tablett neben meinem Bett und ergriff mein Merkheft. Ich hielt es fest und drückte es an die Brust.
»Würden Sie mir einen Gefallen tun, Randall?«, fragte ich.
Er machte ein verwundertes Gesicht. »Kommt darauf an.«
»Dieses Merkheft hier enthält Sachen, die ich nicht vergessen will. Irgendwie spiegelt es mein Leben, und ich möchte, dass mein Enkel es bekommt. Auf keinen Fall möchte ich, dass es weggeworfen wird oder bei irgendwelchen Beweisstücken in der Asservatenkammer landet, wenn ich mal nicht mehr bin.«
Jennings dachte kurz nach. »Sie möchten, dass ich es ihm gebe?«
Ich nickte. »Das würde mit verflucht viel bedeuten.«
»Keine geheimen Botschaften drin, oder?«
»Das wäre nicht mein Stil«, sagte ich ihm.
Er sah mich skeptisch an. »Sie müssen mir schon nachsehen, Buck, dass ich Ihnen nicht traue.«
»Sie können es ja lesen, wenn Sie wollen«, sagte ich. »Aber achten Sie gut darauf und sorgen Sie dafür, dass er es bekommt.«
»Das ist Ihr Leben, da in dem kleinen Heft?«
»Ja«, sagte ich. »Zumindest das, was Bedeutung hat.«
»Scheiße, Mann. Ziemlich traurig.«
Ich warf ihm einen bösen Blick zu. »Es ist, was es ist.«
»Okay«, sagte er. »Geben Sie her. Aber ich verspreche nichts.«
Er stand von seinem Stuhl auf und beugte sich über mich. Er streckte die Hand aus.
»Ich kann nur hoffen, dass ich nie so alt werde wie Sie«, sagte er, als er das Merkheft ergreifen wollte.
Ich ließ es jedoch nicht los. Ich riss meine Erinnerungen so heftig an mich, wie ich nur konnte, was so heftig auch wieder nicht war. Aber er geriet aus dem Gleichgewicht, und es gelang mir, ihn zu überraschen. Er fiel über mich und stützte sich auf den rechten Arm.
Sein Gesicht war nicht viel weiter als zehn Zentimeter von meinem entfernt, dicht genug, um trotz der Sauerstoffsonde den Kaffee in seinem Atemhauch zu riechen.
Ich sah dem Tod ins Auge.
Und ich lächelte, weil ich in meiner linken Hand einen obszönen Smith & Wesson
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