Der Amerikaner - The American
enttäuscht. »Der Sturm ist an Washington vorbeigezogen, aber ich habe gehört, dass er in Richtung Norden zieht. Wenn ich am Dulles International Airport bin, haben sie die Flughäfen vielleicht schon …«
Kealey blieb stehen, als er sah, dass Harper bis über beide Ohren grinste und eine Visitenkarte mit einer Telefonnummer aus der Tasche zog. »Haben Sie Ihr Handy dabei?« Kealey nickte. »Wählen Sie die Nummer, wenn Sie reisefertig sind. Ich bin der stellvertretende Direktor, Ryan. Sie vergessen das gelegentlich.«
Kealey wollte ihn fragen, was die rätselhafte Bemerkung zu bedeuten habe, streckte Harper dann aber nur die Hand entgegen. »Danke, John. Wir sehen uns Montag.«
»Gute Reise. Ich hole Sie Montag am Haupteingang ab. Sagen wir um neun?« Er blickte über Kealeys Schulter. »Ich glaube, da will noch jemand mit Ihnen reden.«
Kealey drehte sich um. Ein paar Schritte weiter stand eine lächelnde Naomi Kharmai, deren weißer Hosenanzug gut zu ihrer karamellfarbenen Haut passte.
»Wohin so eilig?«, fragte sie.
Sie setzten sich in die trostlose Cafeteria, wo um diese Tageszeit fast nichts mehr los war. Zuerst herrschte ein unbehagliches
Schweigen. Kealey ließ seinen Kaffee kalt werden, Kharmai spielte mit ihrer Tasse.
»Einfach blaumachen, nur wegen eines Mädchens?«
Kealey schaute sie an. Ihr Lächeln war vielleicht ein bisschen traurig, aber es war ein Lächeln. »Nächste Woche bin ich zurück, Naomi. Dann wirst du sehr schnell wieder genug von mir haben.«
»Ich dachte, du wolltest aussteigen. Tatsächlich habe ich gedacht, du wärst bereits ausgestiegen.«
»Es geht nicht. Nicht, solange er frei herumläuft.«
Sie dachte kurz nach. »Willst du zur Antiterroreinheit?«
»Da arbeitest du doch.« Er grinste. »Lieber nicht.«
Sie zog eine Grimasse. »Die Frage war ernst gemeint.«
Er zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich. Da hat man Zugang zu den wichtigsten Informationen. Ja, ich denke schon.«
Sie lächelte, sagte aber nichts.
Kealey brach das Schweigen, nur um etwas zu sagen. »Sie werden uns einen prächtigen Orden verleihen.«
Sie zuckte die Achseln. Was sie dann sagte, überraschte ihn: »Das ist mir nicht so wichtig. Ich weiß nicht, warum … Bisher habe ich immer gedacht, es wäre mir wichtig.«
Es war keine Pose, er sah es an ihrem Blick. Sie war aufrichtig, und das überraschte ihn noch mehr. »Harper mag dich, Naomi. Durch diesen Fall hast du auf dich aufmerksam gemacht, also nimm den Orden und lächle in die Kameras.«
Sie schaute ihn an, als wollte sie sich vergewissern, ob er scherzte, aber seine Miene war völlig ernst.
»Es ist nicht arrogant gemeint, aber ich brauche diesen Job nicht und bin eigentlich auch nicht besonders scharf auf ihn. Ich verliere Zeit, die ich mit Katie verbringen könnte, und wenn im Frühjahr das Semester wieder anfängt, wird sie nicht mit mir
nach Washington kommen können.« Er trank den ersten kleinen Schluck Kaffee. »Du hast alle Qualitäten, die man hier braucht, und kannst es weit bringen … Zugegeben, den Job ganz an der Spitze musst du dir abschminken, wegen deiner britischen Staatsangehörigkeit, aber fast alles darunter steht dir offen. Chefin der Antiterroreinheit kannst du mit Sicherheit werden. Aber dafür musst du dich gelegentlich ein bisschen verstellen, zum Beispiel jetzt. Du sagst, der Orden bedeutet dir nichts … Glaub’s mir, du wirst davon profitieren, diese Geschichte ein bisschen aufzubauschen.«
Das Kompliment schmeichelte ihr, aber sie wünschte, er hätte die andere Frau nicht erwähnt. Ich will, dass du mit zu mir kommst!, hätte sie am liebsten gerufen. Vermutlich stand es ihr ins Gesicht geschrieben, denn es folgte ein langes, unbehagliches Schweigen. Schließlich beschloss sie, ihm das Thema zu ersparen, denn es war eindeutig, dass er abreisen wollte und dass es ihn nicht umstimmen würde, wenn sie ihn leiden ließe. »Okay, dann sehen wir uns am Montag.«
»Ja.«
Sie standen auf und schauten sich lange in die Augen. Kharmai hoffte, dass er sich vielleicht vorbeugen und sie …
Sie hoffte vergebens. Stattdessen berührte er nur leicht ihren Arm, bevor er sich umdrehte und die Cafeteria verließ.
Sie blickte ihm lange nach, und in ihrer Miene spiegelten sich die widersprüchlichsten Gefühle. Als er verschwunden war, trank sie ihren Tee aus und versuchte, nicht mehr an ihn zu denken.
Als Kealey die Nummer wählte, die Harper ihm gegeben hatte, wurde er zum ersten Mal seit langem daran
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