Der amerikanische Buergerkrieg
weniger das Buch als das von George Aiken verfaßte Theaterstück, das den ganz großen Erfolg brachte. Die dritte Personengruppe, die den Gradualismus attackierte, bestand aus früheren Sklaven, die zum Teil über die
underground railroad
in den Norden gekommen waren. Zu ihnen zählten der hochintelligente und rhetorisch begabte Frederick Douglass und die nicht minder öffentlichkeitswirksame Sojourner Truth, die durch den Norden zogen und vor Abolitionisten über die Unmenschlichkeit der Sklaverei vortrugen. Unterstützt wurden sie von den Schwestern Sarah und Angelina Grimké, den Töchtern einer Sklavenhalterfamilie, die über die Sittenlosigkeit der Südstaatler referierten und auf diese Weise das stereotype Bild vom Süden der USA als großem Bordell bestätigten. Schließlich wandten sich auch viele Kleinbauern des Mittelwestens dem abolitionistischen Gedankengut zu, wobei sie zwischen Gradualismus und Immediatismus schwankten. Diese
Free Soiler
fürchteten die wirtschaftliche Konkurrenz derjenigen Farmer, die sich auf Sklavenarbeit stützen konnten. Zwar blieb der immediatistische Abolitionismus bis zum Bürgerkrieg auf eine kleine Minderheit im Norden beschränkt, aber dies reichte aus, um die Befürworter der Sklaverei zu noch mehr Gewalt anzustacheln. In der Wahrnehmung der Südstaatler und vieler Demokraten waren die radikalen Abolitionisten Fanatiker, Revolutionäre, notorische Unruhestifter oder einfach Irre.
Aber die Befürworter der Sklaverei beschränkten sich nicht auf Gewalt. Zusätzlich bemühten sie sich, ihren Standpunkt zu systematisieren und zu ideologisieren. Dies konnte mit dem Verweis auf die biblischen Grundlagen der Sklaverei im Alten und Neuen Testament geschehen, indem man etwa auf die Verfluchung Hams und Kanaans im Buche Genesis (die sogenannte Hamitenhypothese, Gen. 9, 18–29) rekurrierte. Die Afrikanergalten nach biblischer Auffassung als Nachfahren Hams. Doch dieser Gedanke war weit weniger verbreitet, als Historiker lange dachten. Seit den 1840er Jahren neigte man eher zu pseudonaturwissenschaftlichen Argumentationen im Rahmen eines organisch-essentialistischen Rassismus. Gemäß diesen Theorien führte etwa Rassenmischung (
miscegenation
) erst zum sittlichen Verfall, zur körperlichen Degeneration und dann zum Ende der weißen Rasse, wenn sie nicht vorher im Rassenkrieg unterging. Das Schlagwort von der Rassenmischung als Utopie der Abolitionisten, die doch selbst meist rassistisch dachten, wurde zur Zusammenhalt generierenden ideellen Grundlage der Sklavereibefürworter schlechthin. Der halbpornographischen Rede vom Süden als Bordell setzten sie ihrerseits den nicht minder pornographischen Gedanken von den Abolitionisten als Rasseschändern entgegen. Hinzu trat eine weitere Theorie, nämlich die Polygenese. Nach dieser Ansicht entstammten Schwarze und Weiße gänzlich anderen Ursprüngen, zählten also nicht zu einer biologischen Art. Dies begründete die natürliche Unterlegenheit der schwarzen und die ebenso natürliche Überlegenheit der weißen Rasse. In einer moderateren Variante wurde den Schwarzen zwar zugestanden, dem Menschengeschlecht anzugehören, sich aber entwicklungsgeschichtlich nicht wesentlich vom Affen weiterentwickelt zu haben. Da sie dem monogenetischen Schöpfungsbericht des Buches Genesis widersprach, lehnten sämtliche christlichen Denominationen und die katholische Kirche die Polygenese mit bemerkenswerter Einheit strikt ab. Ein letztes Argument hob mehr auf die aus der Frühindustrialisierung resultierende soziale Frage ab und spielte mit der Idee des Paternalismus. Die
pro-slavery
Ideologen bezichtigten die bürgerlichen Anhänger des Abolitionismus der Heuchelei. Während sie Krokodilstränen über das Schicksal der Schwarzen vergössen, kümmerten sie sich nicht um das armselige Leben ihrer Arbeiter in den Fabriken. Dieser Gedankengang fand unter eingewanderten Katholiken und radikalen Arbeitern, den Locofocos, unter Iren zumal, eine reiche Anhängerschaft, da man in dieser Klasse die befreiten Schwarzen als Konkurrenten um Arbeitsplätze und als Streikbrecher fürchtete – und dies nicht ohne Grund. Allerdingsübertrieben einige Südstaatler, beispielsweise George Fitzhugh, den Gedanken, als sie forderten, man solle weiße Arbeiter in ihrem eigenen Interesse ebenfalls versklaven und unter die paternalistische Kuratel der Sklavenhalter stellen. Das war für niemanden mehr akzeptabel, zeigt aber, wie in den 1840er und 1850er Jahren in den Kreisen
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