Der amerikanische Patient
drohenden Währungskriegen wenig hilfreich, ja könnte sogar zu einer schweren Bürde werden. Um den Haushalt zu konsolidieren, müssen die USA also auch umfangreiche Einsparungen im Militärbereich vornehmen. Das wird die amerikanische Wirtschaft, die von diesem Sektor im hohen Maße abhängt, noch mehr schwächen.
Auch die »weiche« Macht 2 der USA, seine Vorbildfunktion und Anziehungskraft auf kulturellem und wirtschaftlichem Gebiet, ist schwer beeinträchtigt. Vor allem der so genannte Washington-Konsensus, nach dem alle Länder ihre Gesellschaften und Märkte nach dem Vorbild Amerikas liberalisieren sollen, hat als Orientierungsmaßstab weltweit an Bedeutung verloren. Sogar in den USA selbst ist – wie schon so oft in der amerikanischen Geschichte – ein heftiger Streit darüber entbrannt, welche Rolle dem Staat im Verhältnis zur Wirtschaft und zur Einwanderungsgesellschaft beigemessen werden soll.
Das alles wird Amerika im Wahljahr 2012 beschäftigen und die Welt in Atem halten, denn die Handlungsschwäche der einstigen Weltordnungsmacht droht die Welt in Unordnung zu bringen.
Amerikas neue Energie?
In den USA herrscht zwar immer noch die Experten- und Lehrmeinung vor, »eine ernsthafte Reform der Energiesicherheitspolitik« sei nicht durchzusetzen, »sofern nicht ein gravierender Schock des internationalen Systems eintritt«. Solch ein Schock wäre der Zusammenbruch der saudi-arabischen Monarchie, 1 die mit ihren enormen Ressourcen und Produktionskapazitäten selbst in Krisenzeiten ein ums andere Mal dafür gesorgt hat, dass die Preise einigermaßen stabil blieben. Doch die steigenden Energiesicherheits-, Wirtschafts-und Umweltkosten erhöhen allmählich den innenpolitischen Druck auf die amerikanischen Entscheidungsträger, einen Kurswechsel in der Energie-Außenpolitik einzuleiten.
Erhöhter Handlungsdruck
Bis Mitte der 1970er Jahre war Amerika noch der größte Ölproduzent weltweit. Seitdem haben andere Länder einen größeren Anteil an der Produktion gewonnen, zunächst die Sowjetunion, die ihrerseits bald von den Anrainern des Persischen Golfes, der bis heute ergiebigsten Förderregion, übertroffen wurde. Als sich der Schwerpunkt der weltweiten Erdölförderung vom Golf von Mexiko an den Persischen Golf verlagerte, veränderten sich auch die Machtkonstellationen auf dem Weltmarkt und die geostrategischen Kalküle.
Die USA fürchten nunmehr, die Kontrolle über diese für ihre Wirtschaft lebensnotwendigen Rohstoffe zu verlieren. Sie sehen ihre so genannten vitalen Interessen durch das Kartell erdölexportierender Länder – namentlich die OPEC – bedroht, ferner durch die Unruhen
und möglichen Veränderungen des Status quo im Nahen und Mittleren Osten sowie durch ressourcenhungrige Staaten wie China. Gerade die aufstrebende Wirtschaftsmacht China und die angeschlagene Supermacht USA werden durch ihre Sucht nach Öl dazu getrieben, den für die Wirtschaft und das Transportwesen lebensnotwendigen Rohstoff außen- und militärpolitisch zu sichern. Das hat einen hohen Preis.
Die enorme Abhängigkeit von Ölimporten aus instabilen Regionen wie dem Nahen und Mittleren Osten verursacht externe Kosten, die bei der wirtschaftlichen Gesamtkostenrechnung hüben wie drüben mitberücksichtigt werden sollten. Die militärische Sicherung der Ressourcen in diesen geostrategisch wichtigen Regionen kostet insbesondere den amerikanischen Staat sehr viel Geld, 2 das für andere, weitaus produktivere Investitionen fehlt. Darüber hinaus bremsen die durch die Ölpreiserhöhungen verteuerten Energie-Importe das wirtschaftliche Wachstum und belasten die Außenhandelsbilanz. Das Risiko steigt, dass Energie-Exporteure ihre Erlöse nicht mehr in den USA reinvestieren, wenn sich die Anzeichen mehren, dass die Wirtschaftskraft der USA schwindet.
Die Energie-Importe werden die amerikanische Wirtschaft auf jeden Fall schwächen, denn die steigenden Energiepreise werden den Konsum anderer Güter einschränken. Darüber hinaus befördern die Ölpreise die Inflation, die aufgrund der lockeren Geldpolitik der Notenbank ohnehin schon angefacht wurde. Die Geldschwemme führt darüber hinaus dazu, dass Investoren Sicherheit in Rohstoffanlagen suchen. Die dadurch ausgelösten Spekulationen verstärken den Preissteigerungseffekt bei Energie und anderen Gütern.
Längerfristige Beobachtungen machen deutlich, dass hohe Energiepreise auf Kosten des Wirtschaftswachstums gehen, ja Wirtschaftskrisen regelrecht begünstigen.
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