Der Amokläufer
das gleiche, gefährliche Sichgatten von Dürsten und Trunkenheit, das ich im Blute spürte. Etwas Ungesundes, Feuchtes, wie die Ausdünstung eines Fiebernden, lag über den Feldern, die milchweißen Dunst brauten, ferne Feuer zuckten und geisterten durch die schwere Luft, und um den Mond lag ein gelber Ring und machte seinen Blick bös. Ich fühlte mich müde wie nie. Ein geflochtener Stuhl, noch vom Tag her vergessen, stand da: ich warf mich hinein. Die Glieder fielen von mir ab, regungslos streckte ich mich hin. Und da, nur nachgebend angeschmiegt an das weiche Rohr, empfand ich mit einemmal die Schwüle als wunderbar. Sie quälte nicht mehr, sie drängte sich nur an, zärtlich und wollüstig, und ich wehrte ihr nicht. Nur die Augen hielt ich geschlossen, um nichts zu sehen, um stärker die Natur zu fühlen, das Lebendige, das mich umfing. Wie einPolyp, ein weiches, glattes, saugendes Wesen umdrängte mich jetzt, berührte mich mit tausend Lippen die Nacht. Ich lag und fühlte mich nachgeben, hingeben an irgend etwas, das mich umfaßte, umschmiegte, umringte, das mein Blut trank, und zum erstenmal empfand ich in dieser schwülen Umfassung sinnlich wie eine Frau, die sich auflöst in der sanften Ekstase der Hingebung. Ein süßes Grauen wars mir, mit einem Male widerstandslos zu sein und ganz meinen Leib nur der Welt hinzugeben, wunderbar war es, wie dies Unsichtbare meine Haut zärtlich anrührte und allmählich unter sie drang, mir die Gelenke lockerer löste, und ich wehrte mich nicht gegen dieses Laßwerden der Sinne. Ich ließ mich hingleiten in das neue Gefühl, und dunkel, traumhaft empfand ich nur, daß dies: die Nacht und jener Blick von früher, die Frau und die Landschaft, daß dies eins war, in dem es süß war, verloren zu sein. Manchmal war mir, als wäre diese Dunkelheit nur sie, und jene Wärme, die meine Glieder rührte, ihr eigener Leib, gelöst in Nacht wie der meine, und noch im Traume sie empfindend, schwand ich hin in dieser schwarzen, warmen Welle von wollüstiger Verlorenheit.
Irgend etwas schreckte mich auf. Mit allen Sinnen griff ich um mich, ohne mich zu finden. Und dann sah ichs, erkannte ichs, daß ich da gelehnt hatte mit geschlossenen Augen und in Schlaf gesunken war. Ich mußte geschlummert haben, eine Stunde oder Stunden vielleicht, denn das Licht in der Halle des Hotels war schon erloschen und alles längst zur Ruhe gegangen.Das Haar klebte mir feucht an den Schläfen, wie ein heißer Tau schien dieser traumhaft traumlose Schlummer über mich gesunken zu sein. Ganz wirr stand ich auf, mich ins Haus zurückzufinden. Dumpf war mir zumute, aber diese Wirrnis war auch um mich. Etwas grölte in der Ferne, und manchmal funkelte ein Wetterleuchten gefährlich über den Himmel hin. Die Luft schmeckte nach Feuer und Funken, es glänzten verräterische Blitze hinter den Bergen, und in mir phosphoreszierte Erinnerung und Vorgefühl. Ich wäre gern geblieben, mich zu besinnen, den geheimnisvollen Zustand genießend aufzulösen: aber die Stunde war spät, und ich ging hinein.
Die Halle war schon leer, die Sessel standen noch zufällig durcheinander gerückt im fahlen Schein eines einzelnen Lichtes. Gespenstisch war ihre unbelebte Leere, und unwillkürlich formte ich in den einen die zarte Gestalt des sonderbaren Wesens hinein, das mich mit seinen Blicken so verwirrt gemacht. Ihr Blick in der Tiefe meines Wesens war noch lebendig. Er rührte sich, und ich spürte, wie er mich aus dem Dunkel anglänzte, eine geheimnisvolle Ahnung witterte ihn noch irgendwo wach in diesen Wänden, und seine Verheißung irrlichterte mir im Blut. Und so schwül war es noch immer! Kaum daß ich die Augen schloß, fühlte ich purpurne Funken hinter den Lidern. Noch glänzte in mir der weiße, glühende Tag, noch fieberte in mir diese flirrende, feuchte, funkelnde, phantastische Nacht! Aber ich konnte hier im Flur nicht bleiben, es war alles dunkel und verlassen. So ging ich die Treppehinauf und wollte doch nicht. Irgendein Widerstand war in mir, den ich nicht zu zähmen wußte. Ich war müde, und doch fühlte ich mich zu früh für den Schlaf. Irgendeine geheimnisvolle, hellsichtige Witterung verhieß mir noch Abenteuerliches, und meine Sinne streckten sich vor, Lebendiges, Warmes zu erspähen. Wie mit feinen, gelenkigen Fühlern drang es aus mir in den Treppengang, rührte an alle Gemächer, und wie früher hinaus in die Natur, so warf ich jetzt mein ganzes Fühlen in das Haus, und ich spürte den Schlaf, das
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