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Der Angeklagte: Thriller (German Edition)

Der Angeklagte: Thriller (German Edition)

Titel: Der Angeklagte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lescroart
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Mal als Sieger das Gericht verlassen hatte. Und es auch diesmal tun würde – zumal es nicht mehr nur um die Wiederaufnahme des Sandoval-Prozesses ging, sondern nun auch um den Nuñez-Mord. Was bedeutete, dass er diesmal die »erschwerenden Umstände« bekommen würde und Roland Curtlee vielleicht sogar dahin schicken könnte, wo er hingehörte: in die Todeszelle.
    Es war unausgegoren, undiszipliniert und kam tief aus dem Bauch – und Glitsky war sich dessen schmerzhaft bewusst –, aber er wollte dieser bösartigen, asozialen Familie einfach beweisen, dass sie sein Rückgrat nicht gebrochen hatten, dass er sich seine alte Position zurückerkämpft hatte und trotz aller ihrer Bemühungen, ihrer üblen Nachrede, ihrer Verleumdungen und ihrer Einflussnahme wieder Chef der Mordkommission war.
    Er öffnete die Wagentür und schaute auf die Uhr. Es war 22.15 Uhr – deutlich jenseits des Limits, bis zu dem einem Polizisten in San Francisco die Kontaktaufnahme mit Bürgern gestattet war, die nicht unmittelbar in ein Verbrechen involviert waren. Glitsky wusste, dass er den Curtlees schon Munition lieferte, indem er bei ihnen klingelte, aber er hatte sich dafür bereits eine halbwegs plausible Erklärung zurechtgelegt: Die Umstände von Felicia Nuñez’ Tod, auch vor dem Hintergrund ihrer Aussage im ersten Prozess, machten eine umgehende Ermittlung absolut notwendig. Möglicherweise stände am Ende ja die Erkenntnis, dass Ro unschuldig war. In gewisser Weise, so sein Argument, täte er ihnen also nur einen Gefallen.
    Er stieg aus seinem Auto und ging auf der stillen, von alten Zypressen gesäumten Straße zum beeindruckenden Anwesen der Curtlees hinüber.
    Der Bedienstete, der die Tür öffnete, war neu. Als Glitsky vor zehn Jahren zum letzten Mal hier gewesen war, war man noch ohne Butler ausgekommen. Dieser Bursche jedoch war mit seinem muskulösen Körperbau äußerst beeindruckend: Er schien Ende vierzig zu sein, hatte volle, gepflegte silbergraue Haare und aztekische Gesichtszüge. Mit seinem dunkelgrauen Anzug und der schwarzen Krawatte strahlte er Gelassenheit und eine unerschütterliche Selbstsicherheit aus. Als Glitsky vor der Tür stand, seine Dienstmarke zeigte und die Curtlees zu sprechen wünschte, blieb sein Gesicht ungerührt.
    Ausgesucht höflich fragte er mit tiefer, akzentfreier Stimme: »Haben Sie einen Termin?«
    »Nein. Aber ich bin, wie gesagt, von der Polizei.«
    »Ich verstehe. Haben Sie einen Durchsuchungsbefehl?«
    »Nein. Ich möchte nur mit den Curtlees sprechen, um sie von einer neuen Entwicklung in Kenntnis zu setzen.«
    »Können Sie diese Information nicht mir geben?«
    »Ich würde es vorziehen, mit einem Familienmitglied persönlich zu sprechen.«
    Der Mann überlegte einen Augenblick und sagte dann: »Wie war der Name noch?«
    »Lieutenant Glitzky, Morddezernat.«
    »Natürlich, Sir. Einen Moment, bitte. Ich werde nachschauen, ob jemand zur Verfügung steht.«
    Behutsam, doch entschieden schloss er die Tür vor Glitskys Gesicht.
    Glitsky drehte sich um und schaute über die Auffahrt zur Straße zurück. Es gab kein Tor, keinerlei Einzäunung. Er hatte ungehindert zur Eingangstür kommen können. Zum ersten Mal empfand er diesen Umstand als ungewöhnlich und fragte sich, ob es wohl etwas über diese Familie aussagen würde, über ihre Arroganz und ihr Selbstverständnis. Sicher, in dieser Gegend ging man kaum zu Fuß, und das Viertel galt auch als alles andere als gewalttätig, aber jedes andere Haus in der Umgebung hatte einen Zaun und ein Tor. Vielleicht gingen die Curtlees ja davon aus, dass ohnehin jeder wusste, wer hier lebte – und dass eine Störung ihren Zorn und ihre Vergeltung nach sich ziehen würde.
    Ein Zaun war also gar nicht notwendig. Die psychologische Barriere war völlig ausreichend.
    Als er im Inneren des Hauses Schritte hörte, drehte sich Glitsky um und stand Ro Curtlee gegenüber, der gerade die Tür öffnete.
    Der junge Mann war etwas fülliger geworden im Lauf der Jahre, aber mit seinen milchig-blauen Augen und dem fliehenden Kinn sah er noch immer aus wie ein schmollendes Kind. Seine hellblonden Haare trug er länger, seit er auf Kaution frei war, und irgendwie musste er sich auch eine Narbe eingehandelt haben, die auf der Mitte der Stirn begann und hinter dem Haaransatz verschwand. Das ärmellose weiße T-Shirt zeigte eine gut ausgebildete Muskulatur – offensichtlich hatte er im Gefängnis viel für seine Fitness getan.
    Als er Glitsky sah, lachte er hämisch

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