Der Angeklagte: Thriller (German Edition)
Sprung. Er hatte vor einigen Jahren bereits einen Herzinfarkt gehabt, und auch wenn es sich diesmal anders anfühlte, massierte er mit der Hand seine Brust und atmete tief durch. »Sie trug Schuhe, als er sie umbrachte.« Es war keine Frage.
»So sieht es aus. Vielleicht. Sagt dir das irgendwas?«
Glitsky hatte noch immer Schwierigkeiten, normal zu atmen. »Das machte Ro Curtlee, wenn er Frauen vergewaltigte. Er stellte sicher, dass sie noch ihre Schuhe trugen.«
»Warum?«
»Weiß der Teufel, Arnie, weiß der Teufel.«
»Tut mir leid wegen der späten Störung, Wes, aber mir lag daran, dass Sie es als Erster erfahren. Ich sehe es so: Wenn Sie das mit den Schuhen bestätigen können, bekommen wir einen Durchsuchungsbefehl.«
Farrell blies in sein Telefon. »Können wir nicht machen, Abe. Verdammt noch mal: Wir wissen nicht mal, ob es sich um Nuñez handelt. Und wir werden es vielleicht nie rausfinden, falls sie nie zu einem amerikanischen Zahnarzt gegangen ist – und davon kann man fast ausgehen. Und ohne ihre ID haben wir nichts, das wir der Jury zum Fraß vorwerfen können. Wurde irgendwas von dieser Schuhgeschichte im letzten Prozess zugelas sen?«
»Weiß ich nicht, Wes, aber das können wir schnell rausfinden. Ich habe damals aber mit all den Frauen gesprochen, den Vergewaltigungsopfern – bevor sie Geld annahmen und die Aussage verweigerten. Alle haben die Geschichte mit den Schuhen bestätigt. Das war seine Marotte.«
»Das glaub ich Ihnen ja. Aber er hat die anderen nicht umgebracht, oder nicht?«
»Eine umgebracht, drei verprügelt.«
»Okay, aber die Tote, Sandoval, wurde draußen gefunden, im Park, oder?« Er ließ sich vom Ausbleiben einer Antwort nicht irritieren. »Mein Punkt ist doch der: Er hat niemanden angezündet. Nicht einmal . Das ist also neu, richtig? Es ist nicht seine alte Vorgehensweise, insofern ist es auch kein Argument dafür, dass er der Täter ist.«
»Ich weiß, dass er es ist. Jemand im Knast wird ihm die Idee in den Kopf gesetzt haben: Wenn man jemand vergewaltigt und umbringt, zündet man den Laden besser an, damit keine Spuren bleiben.«
»Genau. Und wie Becker schon festgestellt hat: Wir werden noch nicht mal die Bestätigung bekommen, dass Nuñez vergewaltigt wurde, oder?«
»Eher unwahrscheinlich.«
»Mit anderen Worten: Wir haben keine Anhaltspunkte, dass Ro in ihrem Apartment war, keine Zeugen …«
» Noch nicht!«
»Okay, noch nicht. Aber immerhin. Außerdem gibt es keine Beweise für eine Vergewaltigung. Wir haben eine Frau, die bei einem Brand umgekommen ist. Wir kennen nicht mal die genaue Todesursache, richtig? Wurde sie erwürgt, erschossen, erstochen? Sagen Sie’s mir.«
»Wir werden dazu möglicherweise auch keine Erkenntnisse bekommen, Wes. Die Leiche war nun mal völlig verkohlt.«
»Meine Rede, Abe. Vielleicht ist sie ja … nein, es könnte jedenfalls passieren, dass die Ermittlungen völlig ins Leere laufen. Vielleicht ist sie ja mit einer Kerze ins Badezimmer gegangen, hat einen Herzinfarkt, fällt tot um und steckt ihre Wohnung in Brand.«
»So war’s mit Sicherheit nicht.«
»Glaube ich ja auch nicht. Ich glaube sogar, dass Sie wahrscheinlich recht haben. Aber mit wahrscheinlich kommen wir nicht weiter – und das wissen Sie genau.«
»Wie soll es denn weitergehen?«
»Ich weiß es nicht, Abe. Ich hoffe, er macht einen Fehler.«
»Sie meinen: einen Fehler bei seinem nächsten Mord?«
»Nein«, sagte Farrell. »Vorher.«
7
Farrell hatte das Gefühl, dass die Einrichtung seines Büros vielversprechende Fortschritte machte. Der große Raum hatte nicht mehr die geringste Ähnlichkeit mit dem Büro seines Vorgängers – was auch nicht weiter verwunderlich war, wenn man sündhaft teure Statussymbole durch Flohmarktmöbel ersetzte.
Farrell hatte immer mit der Diktatur des Schreibtischs gehadert, der traditionell die Mitte des Raums beherrschte. Bei ihm thronte dort nun, mit ausreichend Bewegungsspielraum auf beiden Seiten, ein Tischfußballspiel. Am Eingang und auf der anderen Seite des Kickers gab es zwei Sitzecken mit Sofa, Sesseln und Kaffeetisch; die eine Garnitur war aus Leder und Chrom, die andere aus Stoff und Holz.
Sein »Arbeitstisch« war eigentlich nur eine helle Schreibtischplatte, die vor den Fenstern zur Bryant Street stand, völlig überladen mit Computer, Drucker, Telefon und Fax. Ein anderer Tisch stand an der Wand, wurde aber von einem 52-Zoll-Fernseher okkupiert. Davor ein paar Klappstühle, die bei Bedarf auch in
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