Der Anruf kam nach Mitternacht
technischen Hilfsabteilung.«
»Ich verstehe.« Fröstelnd zog Sarah den Pullover enger um sich. Der Schüttelfrost fing wieder an, und ihr Hals tat weh. Warum war es in Regierungsbüros bloß immer so kalt?
»Geht es Ihnen nicht gut, Mrs. Fontaine?«, fragte Nick besorgt.
Sie sah ihn elend an. »In Ihrem Büro ist es kühl.«
»Darf ich Ihnen einen Kaffee kommen lassen?«
»Nein, vielen Dank. Bitte, ich möchte nur etwas über meinen Mann erfahren. Ich kann es immer noch nicht glauben, Mr. O’Hara. Ich bin der Meinung, hier stimmt etwas nicht. Es muss ein Irrtum vorliegen.«
Er nickte voller Sympathie. »Das ist die übliche Reaktion, anzunehmen, alles sei nur ein Irrtum.«
»Wirklich?«
»Ablehnung. Jeder macht das durch. Genau das empfinden auch Sie jetzt.«
»Aber Sie fordern doch nicht jede Witwe auf, in Ihr Büro zu kommen, oder? In Geoffreys Fall muss es um etwas anderes gehen.«
»Ja«, räumte er ein. »Das stimmt.«
Nick drehte sich um und nahm einen Aktenordner vom Schreibtisch auf. Nach kurzem Blättern holte er ein Blatt voller Notizen heraus. Die Handschrift war ein unleserliches Gekritzel. Es muss seine eigene sein, dachte Sarah. Niemand außer dem Schreiber selbst wäre in der Lage, das zu entziffern.
»Nachdem ich Sie angerufen habe, Mrs. Fontaine, habe ich mich mit unserem Berliner Konsulat in Verbindung gesetzt. Was Sie gestern Nacht gesagt haben, hat mich nicht in Ruhe gelassen. So wenig, dass ich die Fakten nochmals überprüfen wollte.«
Die Pause, die O’Hara einlegte, ließ Sarah erwartungsvoll zu ihm aufsehen. Sie blickte in zwei ruhige Augen, die sie müde und besorgt beobachteten. »Ich habe mit Wes Corrigan, unserem Konsul in Berlin, gesprochen und notiert, was er mir erzählt hat.«
Er warf einen Blick auf seine Vermerke. »Gestern Abend gegen acht Uhr mitteleuropäischer Zeit meldete sich ein Mann namens Geoffrey Fontaine im Hotel Regina an. Er bezahlte mit einem Reisescheck. Die Unterschriften waren identisch. Er benutzte seinen Reisepass, um sich auszuweisen. Ungefähr vier Stunden später, gegen Mitternacht, traf die vom Hotel herbeigerufene Feuerwehr ein. Das Zimmer Ihres Mannes stand in Flammen. Bis man den Brand unter Kontrolle gebracht hatte, war der Raum völlig zerstört. Die offizielle Erklärung ist, Ihr Gatte sei eingeschlafen, während er im Bett rauchte. Ich fürchte, er ist bis zur Unkenntlichkeit verbrannt.«
»Wie kann man dann so sicher sein, dass es sich um ihn handelt?« Die Frage kam wie aus der Pistole geschossen. Bis zu diesem Augenblick hatte sie mit wachsender Verzweiflung zugehört. Aber Nick O’Hara hatte gerade viel zu viele andere Möglichkeiten angeschnitten. »Jemand hätte seinen Pass gestohlen haben können«, machte sie ihn aufmerksam.
»Mrs. Fontaine, lassen Sie mich doch bitte zu Ende sprechen.«
»Aber Sie haben soeben gesagt, der Leichnam konnte nicht identifiziert werden.«
»Wir sollten versuchen, logisch vorzugehen.«
»Ich bin logisch!«
»Sie sind gefühlsbetont. Sehen Sie, es ist ganz normal, dass sich die Witwen an solche Strohhalme klammern, aber …«
»Ich bin noch gar nicht davon überzeugt, dass ich eine Witwe bin.«
Er hob abwehrend die Hände. »Gut, gut, sehen wir uns also die Beweise an. Die echten Beweise. Erstens: Man hat seinen Aktenkoffer in dem Zimmer gefunden. Er war aus Aluminium und feuerbeständig.«
»Geoffrey hat niemals so etwas besessen.«
»Der Inhalt hat den Brand überstanden. Der Pass Ihres Mannes war darin.«
»Aber …«
»Dann liegt der amtliche Befund vor. Ein Berliner Pathologe hat den Körper – nun ja, was davon übrig war – kurz untersucht. Obwohl man nicht auf Zahnunterlagen zurückgreifen konnte, war aber die Größe der Leiche mit der Ihres Gatten identisch.«
»Das bedeutet gar nichts.«
»Schließlich …«
»Mr. O’Hara …«
»Schließlich«, sagte Nick mit plötzlichem Nachdruck, »haben wir ein letztes, an der Leiche selbst gefundenes Beweisstück. Ich bedauere, Mrs. Fontaine, aber ich glaube, das wird Sie überzeugen.«
Am liebsten hätte Sarah sich sofort die Ohren zugehalten und ihn angeschrien, er solle schweigen. Bis jetzt hatten die Beweise sie nicht überzeugt. Aber sie konnte nicht mehr länger zuhören. Sie konnte es nicht ertragen, dass ihr jede Hoffnung schwand.
»Es war der Ehering. Die Inschrift war noch lesbar. Sarah. 14. 2.« Er sah von seinen Notizen auf. »Das ist doch Ihr Hochzeitsdatum, nicht wahr?«
Alles verschwamm ihr vor den Augen,
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