Der Antares-Krieg
Standard?«
»Diejenigen, welche schon ein paar Jahre hier sind. Ihr Stimmapparat ist viel anpassungsfähiger als unserer. Glauben Sie mir, die Ryall sind sehr redegewandt, wenn sie es sein wollen.«
»Wäre es möglich, dass ich mit einem von ihnen spreche?«, fragte Drake.
Bardak lächelte. »Das ist gewöhnlich die erste Frage, die von Besuchern gestellt wird. Alles ist für ein Interview vorbereitet. Folgen Sie mir ins Sprechzimmer.«
Das Sprechzimmer war ein kahler Raum mit einem Tisch, einem einzigen Stuhl und verschiedenen Bewachungsmechanismen, die hinter Panzerglasplatten in die Decke eingelassen waren. Richard Drake setzte sich auf den Stuhl und wartete, bis die schwere Stahltür am anderen Ende des Raums geöffnet wurde. Er brauchte nicht lange zu warten. Die Tür wurde in die Wand zurückgezogen, und einer der Ryall kam herein, bewacht von zwei Marinesoldaten.
Als er näher kam und auf der anderen Seite des Tisches stehen blieb, gemahnte der Ryall Drake an Bilder, die er von frühen Experimenten mit geländegängigen Gehmaschinen gesehen hatte. Die Gangart war eine Abfolge von Bewegungen, denen das ungeübte Auge schwer folgen konnte. Drake spielte mit dem Gedanken, den Ryall zu bitten, dass er im Raum umhergehe, ließ es aber sein. Lange Sekunden betrachteten die beiden einander schweigend. Wenn der Ryall in der Lage war, ein Mienenspiel zu zeigen, so ersparte er sich die Mühe – oder Drake achtete nicht auf die richtigen Signale.
Nach fast einer Minute Stillschweigen öffnete sich die lange Schnauze, und zwischen zwei Reihen konischer Zähne drang in überraschend klarer Diktion menschliche Sprache hervor.
»Man sagt mir, dass Sie mit mir zu sprechen wünschen, mein Herr oder meine Dame.« Die Sprechweise des Ryall betonte alle Zischlaute, war aber sonst akzentfrei.
»Wie lange sind Sie schon hier gefangen?«, fragte Drake.
»Fünf Standardjahre«, antwortete der Ryall.
»Und Sie können noch immer nicht den Unterschied zwischen den zwei menschlichen Geschlechtern erkennen?«
»Das Geschlecht eines bestimmten Menschen ist für einen von meiner Art nicht von Belang. Ich würde vermuten, dass Sie männlichen Geschlechts sind, weil das für die allermeisten meiner Besucher gilt.«
»Sie haben Recht. Und was sind Sie, wenn die Frage nicht zu indiskret ist?«
»Keines von beiden«, antwortete der Ryall. »Ich bin ungeschlechtlich, das, was Sie eine Drohne nennen, glaube ich.«
»Haben Sie einen Namen?«
Es kam ein kurzes Geräusch, das mit einem scharfen Einatmen begann und mit einem Geräusch wie einem plötzlich abgebrochenen Niesen endete. »Eine ungefähre Übersetzung würde lauten: ›Treuer Diener des Eies, das uns alle gebar‹. Sie können mich aber ›John‹ nennen. Das ist der Name, den meine Bewacher mir gegeben haben.«
»Gut, John, mein Name ist Richard Drake. Haben die Sandarer Ihnen gesagt, wer ich bin?«
Der Ryall machte ein undeutbare Geste mit den Händen, und eine dreifach gegabelte Zungenspitze zuckte hervor.
»Einem Zootier werden keine Erklärungen gegeben, Richard Drake. Es fragt auch nicht danach.«
»Zootier? Halten Sie diesen Ort für einen Zoo?«
Diesmal war die Geste umfassender. Die Arme wurden ganz ausgestreckt, und die sechs langen Finger spreizten sich weit.
»Ist das nicht Ihre Bezeichnung für einen Ort, wo die Menschen zu ihrer Unterhaltung die Possen anderer Arten beobachten?«
»Das ist richtig. Aber eine zutreffendere Bezeichnung für diesen Ort wäre ›Gefängnis‹. Sie sind ein Kriegsgefangener.«
»Das ist eine weitere Unterscheidung, mit der wir nichts anfangen können, Richard Drake. Offenbar sehen wir die Wirklichkeit nicht genauso, wie Sie es tun.«
»Ich fürchte, ich verstehe nicht, John. Wollen Sie damit sagen, dass Sie nicht wissen, was ein Gefängnis ist oder was es bedeutet, ein Gefangener zu sein?«
Der Ryall klappte mit einem flatternden Geräusch die Ohren auf. »Ich lache, Richard Drake. Nach fünf Standardjahren sind die Begriffe Gefangenschaft und Gefängnis etwas, das ich sehr wohl verstehe. Meine Gefährten und ich sprechen kaum von etwas anderem.«
»Worin besteht dann ...«
»Sie nannten mich einen Kriegsgefangenen. Ich finde es schwierig, unseren Begriff von Krieg mit der unklaren Interpretation zu vereinbaren, die Sie mit dem Wort in Verbindung zu bringen scheinen.«
»Welches ist dann der Begriff, den die Ryall dafür verwenden?«
»Krieg ist ein Kampf der Ehre zwischen zwei Gegnern, wie wenn ein Mann seine
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