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Der Apfel fällt nicht weit vom Mann

Der Apfel fällt nicht weit vom Mann

Titel: Der Apfel fällt nicht weit vom Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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gewesen, denn sie hatte notfallmäßig zu ihrer Familie nach Cornwall düsen müssen, um wieder mal die Kartoffeln für sie aus dem Feuer zu holen.
    Darum sah Pip Dan zum ersten Mal auf Clives Abschiedsfest.
    »Das ist die gute Seele unserer Praxis, Pip Charteris«, stellte Chester sie vor, schlang ihr den Arm um die Taille und drückte sie so fest an sich, dass sie unwillkürlich quietschte. »Sie sorgt dafür, dass bei uns alles wie am Schnürchen läuft. Wenn Sie irgendetwas brauchen, wenden Sie sich vertrauensvoll an Pip.«
    »Egal, was?«, hatte er mit einem zweideutigen Blick und einem Lächeln gefragt.
    Worauf Pip knallrot angelaufen war.
    Vor lauter Angst davor, gequirlten Blödsinn zu reden, war sie ihm den Rest des Abends aus dem Weg gegangen und hatte ihm nur hin und wieder schüchtern zugelächelt, wenn sie ihn dabei ertappte, wie er sie beobachtete. Was ziemlich oft vorkam.
    Das ganze Wochenende hatte sie damit verbracht, auf gar keinen Fall an ihn zu denken. Montagmorgen ertappte sie sich selbst dabei, wie sie sich die Wimpern bereits zum dritten Mal tuschte – wo sie doch normalerweise nur mit Mühe und Not überhaupt daran dachte, sich das Gesicht einzucremen. Vielleicht sträubte sie sich doch ein bisschen zu heftig, vielleicht sollte sie sich eingestehen, dass es bei ihr mächtig eingeschlagen hatte. Ob es Liebe war, ließ sich noch nicht so genau sagen, aber Lust und Verlangen plagten sie allemal.
    Was war schon dabei, wenn eine alleinstehende Frau in ihrem Alter sich in einen netten Mann verguckte? Ran an den Speck und genießen! Warum also versuchte sie, ihre Gefühlsregungen zu verdrängen? Warum versuchte sie, ihre Libido unter Kontrolle zu bringen?
    Nun ja, ob man will oder nicht, das Leben der eigenen Eltern hat immer einen ziemlich großen Einfluss auf das eigene Leben. Manchmal ist das richtig gut, zum Beispiel dann, wenn die Eltern ein vorbildliches, weil produktives, konstruktives, glückliches und erfülltes Leben führen. Und manchmal ist das verdammt übel.
    Der Punkt war, dass Pip auf gar keinen Fall werden wollte wie ihre Mutter. Die hatte sich nämlich mit derselben Leichtigkeit laufend in neue Männer verliebt. Und sie hatte vier Töchter von vier verschiedenen Vätern.
    Das war natürlich nicht allein die Schuld ihrer Mutter – das Schicksal hatte bezüglich der langen Reihe von Männern in ihrem Leben ganz entscheidend seine Hände mit ihm Spiel gehabt. Pips Mutter hatte das ganz gewiss nicht so geplant, sie hatte es sich auch ganz gewiss nie so gewünscht. Nein, als Judy Partridge Pips Vater kennenlernte, war sie der festen Überzeugung, nie wieder einen anderen Mann ansehen zu wollen.
    Pips Vater, Edward Charteris, war die Liebe ihres Lebens gewesen, ihr Traummann – gut aussehend, einfühlsam, intelligent, warmherzig. Kein Jahr, nachdem sie sich ineinander verliebt hatten, heirateten die beiden. Zwei Jahre später kam Pip. Sie bezogen Arandore, ein großes, altes, kornisches Haus, das sich bereits seit drei Generationen in Familienbesitz befand. Judys, Edwards und Pips Leben verlief durch und durch glücklich – bis Pips Vater zwei Tage nach ihrem achten Geburtstag völlig unerwartet starb.
    Pips Bilderbuchkindheit hatte ein Ende. Plötzlich war nichts mehr, wie es mal war. Ihre Mutter wurde zu einem Schatten ihrer selbst. Pips Großvater väterlicherseits, Pops, kehrte zurück nach Cornwall, denn als Witwer wusste er nur zu gut, wie es in der lieben Judy aussah. Er bezog das kleine Cottage gleich hinter Arandore, am Rand der drei Hektar großen Wiese.
    Zwar war Pops seiner Schwiegertochter eine große seelische und moralische Unterstützung, aber besonders gut ging es ihm selbst nicht. Pops litt an Multipler Sklerose, und obwohl es ihm für einen MS-Kranken ziemlich gut ging und regelmäßig eine Pflegekraft ins Haus kam, fühlte Pip sich für ihn verantwortlich. Pip, der es aufgrund der alles dominierenden Trauer ihrer Mutter nicht möglich war, selbst zu trauern, verwandelte ihren Schmerz in Nächstenliebe, indem sie allen um sich herum half, wo sie nur konnte.
    Zum Glück hatte sie in ihrer Tante Susan, die auch auf Arandore lebte, eine wertvolle Stütze. Gemeinsam übernahmen sie Pops Pflege und lotsten Judy vom Abgrund weg, vor dem sie stand.
    Zunächst holten sie sie aus ihrem Zimmer heraus, in das sie sich vollkommen zurückgezogen hatte, dann aus dem Haus, dann aus dem Dorf und nach etwa einem Jahr dann endlich auch aus dem Land, zu ihrem ersten Urlaub seit

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