Der Apfel fällt nicht weit vom Mann
Edwards Tod. Von diesem Urlaub hatte sie sich – nach einem heißen Flirt mit einem geheimnisvollen Franzosen – ein ganz besonderes Souvenir mitgebracht: eins, das neun Monate später schreiend und strampelnd in ihren Armen lag.
Nun ja, und danach brachte sie dann noch zwei Mädchen auf die Welt. Jedes Einzelne von ihnen ein Geschenk von einem anderen Mann. Judys Töchter waren ihr ein und alles, und auch Pip war glücklich damals. Nur ein bisschen Ruhe wünschte sie sich manchmal. Ruhe vor den Männern, die nur ein paar Wochen oder Monate durchs Haus geisterten, bevor sie wieder verschwanden. Groß, klein, schwarz, weiß, Engländer, Albaner, Italiener – Pips Mutter arbeitete sich auf der Suche nach einem neuen Edward durch eine beachtliche Reihe von Männern. Sie war dabei nicht völlig wahllos, und immerhin reichten Pip noch beide Hände und Füße, um sie zu zählen ... Aber es reichte auch, dass es ihr aufstieß und ihr ein klein wenig übel davon wurde.
Und so hatte das Leben mit Judy aus Pip einen in Herzensangelegenheiten überaus wachsamen, vorsichtigen Menschen gemacht. Ihre Mutter hatte sich stets Hals über Kopf in Beziehungen gestürzt, wohingegen Pip die Dinge gern überdachte.
Und wie sie sich nun von körperlichen Wonnegefühlen ausgelöst wie selbstverständlich schminkte, schaltete sich dann doch wieder ihr Selbsterhaltungstrieb ein. Überrascht sah sie ihrem Spiegelbild in die Augen und fragte sich, was zum Teufel sie da eigentlich gerade tat.
Sie wollte sich schon wieder komplett abschminken, als ihr Blick auf die Uhr fiel.
Sie war spät dran.
Seit fünf Jahren arbeitete sie nun schon in der Praxis, und sie war noch kein einziges Mal zu spät gekommen.
Genau, das war noch so was, was Männer mit einem machten: Sie brachten nicht nur sämtliche Gefühle und Gedanken durcheinander, sondern auch lieb gewordene Routinen.
Pips Mutter hatte stets in einem ziemlichen Chaos gelebt, darum legte Pip gesteigerten Wert auf Ordnung. Sie war unglaublich organisiert und pflichtbewusst, was ihr im Job zugute kam. Sie war immer als Erste da und ging als Letzte – mal abgesehen von Chester, der quasi mit der Praxis verheiratet war.
Heute aber schaffte Pip es nur mit Hängen und Würgen, pünktlich zu Beginn der Sprechstunde in der Praxis zu sein. Sie huschte durch das Wartezimmer, in dem bereits jede Menge Patienten, vor allem Hunde, warteten, und hoffte vergeblich, es würde niemandem auffallen, dass ihr Make-up eher einem Freitagabend entsprach als einem Montagmorgen.
Maggie, die an der Rezeption saß, zerschlug ihre Hoffnung sofort:
»Pip! Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, ich dachte, du wärst vielleicht krank ... Nicht, dass du krank aussiehst, im Gegenteil!« Sie beäugte sie ganz genau. »Sag mal, ist das etwa Lippenstift, Pip? Und Rouge? Und Wimperntusche?«
Pip setzte ihr »Huch, ist das wirklich so auffällig, dabei habe ich das doch nur so husch-husch gemacht«-Gesicht auf.
»Na ja ... Also ... als ich heute Morgen in den Spiegel sah, fand ich einfach, dass ich mal ein bisschen nachhelfen müsste, du weißt schon.« Pip senkte die Stimme und lehnte sich zu Maggie über den Tresen, als würde sie ihr ein Geheimnis anvertrauen. »Freitag die Nacht um die Ohren geschlagen, das ganze Wochenende geheult wegen Clive ... Ich werde ihn ganz fürchterlich vermissen, Maggie, er ist einer meiner besten Freunde, ich kann mir das noch gar nicht vorstellen, wie das hier alles werden soll ohne ihn ...«
Sie warf einen schnellen Seitenblick auf Maggie.
Ihr Plan funktionierte.
Mitfühlend sah Maggie Pip an.
»Ach, Süße, um Clive musst du dir doch keine Sorgen machen. Er liebt dich wie eine Schwester. Er könnte auf der anderen Seite der Welt landen und wäre immer noch genauso für dich da wie du für ihn, es besteht also überhaupt kein Grund, so unglücklich zu sein über seinen Wegzug ... Natürlich wird sich ohne ihn so einiges ändern, aber du hast ja immer noch uns ... Und der Neue scheint ja auch ziemlich nett zu sein ...«
»Ist er schon da?«, fragte Pip so unbeteiligt wie möglich.
»Ja. Schlägt sich gerade mit Mrs. Roper und ihrem verzogenen Perserkater Percy herum, der Ärmste. Großartiger Auftakt an seinem ersten Tag in einer neuen Praxis ... So, und jetzt zieh mal deinen Mantel aus, ich hol uns beiden was Heißes zu trinken, und dann helfe ich dir bei den Rechnungen ...«
Fürsorglich nahm Maggie sie in den Arm, dann verschwand sie in die Teeküche, um eine heiße
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