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Der Architekt

Der Architekt

Titel: Der Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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hob.
    »Bitte.« Der Richter lehnte sich zurück.
    »Nur eine Kleinigkeit«, sagte der Verteidiger und wandte sich an die Zeugin, während er den linken Ellbogen auf den Tisch stützte und mit der Rechten in einem Ordner blätterte, der aufgeschlagen vor ihm lag. »Als Hauptkommissar Gerkens Sie am 26 . September, also am Tag nach der Tat, vernommen hat, sagten Sie aus, dass es in der Vorwoche zwischen Ihnen und Ihrer Schwester zu einer Auseinandersetzung gekommen sei.«
    Die Zeugin drehte ihren Oberkörper ein wenig in Richtung des Verteidigers, ohne jedoch ihren Stuhl zu bewegen, was sie hätte tun müssen, wenn sie sich ihm ganz hätte zuwenden wollen.
    »Können Sie uns berichten, um was es da ging«, fuhr er fort und sah sie an.
    »Es … ich glaube … ich meine: Wenn ich heute daran denke, ist mir das sehr unangenehm.«
    Jetzt, wo sie mit dem Verteidiger sprach, konnte Ben ihr Profil besser sehen. Sie hatte ihr hellbraunes, fast blondes Haar zurückgekämmt, trug eine Brille und war ungeschminkt. Und doch wirkte sie auf ihn wie eine Frau, die es gewohnt war, mit ihrem Äußeren einen starken Eindruck zu hinterlassen.
    »Versuchen Sie es trotzdem«, sagte der Verteidiger.
    »Christine und ich hatten darüber gesprochen, dass ich … dass Julian mich gebeten hatte, also dass ich einen Vorschlag zu einem Projekt gemacht und er mich gebeten hatte, das ein wenig auszuarbeiten. Ich weiß nicht, was in sie gefahren ist, aber … vielleicht war es auch einfach, dass sie … immer davon geträumt hatte … oder dass sie immer darunter gelitten hatte, eben
nicht
mit Julian zusammenzuarbeiten. Und plötzlich war ich da, machte ein Praktikum in seinem Büro – und dann gab er mir auch noch einen regelrechten Auftrag. Ich glaube, meine Schwester war einfach betroffen, traurig …«
    »Wie haben Sie reagiert?«
    »Ich war natürlich furchtbar durcheinander – ich hatte nicht damit gerechnet, dass Christine das so aufnehmen würde. Ich meine: Sie hatte mir das Praktikum bei Julian ja besorgt, sie ließ mich bei sich wohnen. Meine Schwester und ich, wir haben uns immer sehr gut verstanden – und plötzlich das. Zuerst dachte ich, dass ich vielleicht nachgeben sollte, dass ich am besten sage, ich mach’s nicht. Dann aber dachte ich, dass ich genauso gut gleich das ganze Praktikum abbrechen könnte … und das war wieder schwierig, weil ich ja schon über neun Wochen dabei war. Es wäre ein ziemlicher Zeitverlust gewesen.«
    »Also, was haben Sie getan?«
    »Ich habe versucht, mit Christine zu reden.«
    »Sie haben nicht gesagt, dass Sie ihr zuliebe auf den Auftrag verzichten?«
    »Nein, nicht direkt. Ich habe nur angedeutet, dass es möglich wäre, dass ich es tun könnte, wenn sie das beruhigen würde.«
    »Und was hat sie dazu gesagt?«
    »Dass ich das selbst entscheiden müsste.«
    »Und daraufhin sind Sie auf das Angebot von Herrn Götz eingegangen.«
    »Ja.«
    »Was bedeutete, dass Sie auch enger mit ihm zusammenarbeiten mussten.«
    »Na ja …« Sie zögerte etwas. »Nicht unbedingt. Der Auftrag betraf eher Nebensächlichkeiten, das hätte auch ein Assistent mit mir besprechen können.«
    »Hätte?«
    »Ich … das habe ich doch vorhin gesagt, ich fuhr hin und wieder mit Herrn Götz ins Büro. Natürlich haben wir da auch über die Arbeit gesprochen.«
    »So auch am 25 . September.«
    »Ja.«
    Der Verteidiger sah die Zeugin etwas länger an. Ben konnte beobachten, wie ihre Augen hinter den Gläsern blinzelten.
    »Sie würden also sagen, dass Sie sich mit Ihrer Schwester gestritten haben, weil sie eifersüchtig war.«
    »Sie war eifersüchtig darauf, dass ich mit Julian gearbeitet habe, ja … das ist wohl so gewesen.«
    »Danke, keine weiteren Fragen.«

7
    Nachdem man sie aus der Wanne mit der öligen Flüssigkeit herausgeholt und zu ihrem Bett gebracht hatte, lag Mia auf der Matratze und starrte an die Decke. Ihre Gedanken gingen zurück zu dem Nachmittag, an dem Dunja sie zum ersten Mal abgeholt hatte …
     
    Mia hatte auf dem Balkon bei sich zu Hause gestanden und ihre Mutter gemustert, die neben ihr auf einem Liegestuhl eingeschlafen war. Es war so warm gewesen, dass ihre Mutter nicht einmal eine Decke über sich gebreitet hatte. Ihre Arme lagen schlaff auf den Seitenlehnen des Liegestuhls, der Kopf war ein wenig zur Seite gesunken, die kurzen Haare standen wirr ab.
    Mia hatte das Gesicht ihrer Mutter immer geliebt. Ein hartes, herbes Gesicht, in dem die ungeschminkten, blassrosa Lippen einen

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