Der Atem des Jägers
Einen Augenblick war es still, dann seufzte John Afrika und sagte: »Diese Hinterhältigkeit
macht mich fertig. Ich kann das nicht begreifen.«
Griessel dachte an sein Gespräch mit Beukes. Das Organisierte Verbrechen hatte irgend etwas vor. Das wußte er. Deswegen hatten
sie sich an die Zeitungen gewandt. Deswegen hatten sie die Wachmänner abberufen.
Aber was?
Er öffnete die Schiebetür; er konnte nicht ewig hier draußen stehen.
Bevor er hereinkam, als er sein Handy wegsteckte, versuchte er zu denken wie Boef Beukes. Da verstand er und erstarrte. Christine
van Rooyen war der Köder des Organisierten Verbrechens. Die benutzten
sie
als Falle. Aber für wen? Sangrenegra?
Sein Besuch in Beukes Büro. Der andere Detective dort, in dem Anzug mit der Krawatte. So zog sich niemand mehr an. Wer zum
Teufel war das? Einer der Scorpions, der Sondereinheit der Staatsanwaltschaft?
Niemals. Beukes und Co. würden sich eher auf der Toilette die Schlagadern aufschlitzen, als mit den Skorpionen zusammenzuarbeiten.
Er bemerkte, daß Christine aufgestanden war und ihn anschaute.
»Alles in Ordnung?«
»Ja«, sagte er. Aber würde mit
ihr
alles in Ordnung gehen?
An einem lauen Spätnachmittag hielt der gestohlene BMW 320d vor dem Quickshop einer Tankstelle in Highveld, zwischen der alten
Straße nach Pretoria und der Sixteenth Avenue in Midrand. John Khoza und Andrew Ramphele stiegen aus und gingen durch die
automatische Glastür. Gelassen schlenderten sie zum Fastfood-Tresen hinten im Laden.
Während Ramphele zwei Chicken Burger bestellte, inspizierte Khoza die vier Ecken des großen Raumes. Es gab nur |318| eine Überwachungskamera. Sie befand sich an der Ostseite, gegenüber der Kasse.
Er flüsterte Ramphele etwas zu, und der nickte.
Griessels Telefon klingelte, während sie auf die Pizzen warteten.
»Benny, der Boß sagt, wir können ihr Zeugenschutz geben, aber das dauert eine Weile«, sagte Ngubane.
»Wie lange?«
»Wahrscheinlich bis morgen. Das ist das Beste, was wir tun können.«
»Okay, Tim. Danke.«
»Was machst du jetzt? Für heute?«
»Ich überlege mir was«, sagte er.
Khoza wartete, bis der letzte der vier Kunden im Laden bezahlt hatte und gegangen war. Dann trat er auf die Frau hinter der
Kasse zu, schob seine Hand unter seine Jeansjacke und zog eine Pistole. Er hielt sie ihr ins Gesicht und sagte: »Kasse aufmachen,
Schwester, gib uns das Geld. Dann passiert niemandem etwas.«
»Ich muß heute nacht auf Ihrem Sofa schlafen«, sagte Griessel.
Christine schaute zu ihm hoch und nickte.
»Morgen kommen Sie ins Zeugenschutzprogramm. Es wird gerade organisiert, aber das dauert ein wenig.«
»Was heißt das?« fragte sie.
»Das kommt darauf an.« Es klopfte an der Tür. Griessel stand auf und zog seine Z88-Dienstwaffe. »Das müssen unsere Pizzen
sein«, sagte er.
Der Toyota Microbus der South African Police hielt an der Tankstelle, um zu tanken. Die neun Polizisten waren steif vom stundenlangen
Sitzen und durstig außerdem. Das letzte Mal hatten sie sich die Beine in Louis Trichardt vertreten. Alle stiegen aus. Der
junge schwarze Constable, der Scharfschütze des |319| Teams, wußte, daß ihm als Jüngstem die Aufgabe oblag, kalte Getränke zu besorgen.
»Was wollt ihr trinken?« fragte er.
In diesem Augenblick kamen die beiden Männer aus dem Quickshop, jeder mit einer Pistole in der Hand und einer grün-lila-roten
Plastiktüte in der anderen.
»Hey«, sagte der Scharfschütze und griff mit der Hand nach der Feuerwaffe in seinem Hüftholster. Die anderen acht Mitglieder
der Task Force schauten instinktiv, was der Constable entdeckt hatte. Einen Augenblick lang konnten sie ihren Augen kaum glauben.
Einen sehr kurzen Augenblick.
»Warum haben Sie vorhin gesagt, daß Sie nicht wollen, daß ich gehe?« fragte Griessel, aber ihr Mund war voll mit Pizza, und
sie mußte aufkauen, bevor sie antworten konnte.
»Sie sind der erste Mensch, den ich heute zu Gesicht bekommen habe«, sagte sie und beließ es dabei. Er konnte sehen, daß sie
sich bemühte, nicht zu weinen.
Er verstand. Er stellte sich ihren Tag vor. Ihr Kind war verschwunden, wahrscheinlich tot. Die schreckliche Sorge, die Zweifel.
Vielleicht Angst, weil die Wachen verschwunden waren. Allein in diesen vier Wänden. »Das tut mir leid«, sagte er.
»Ihnen braucht es nicht leid zu tun. Es ist meine Schuld. Nur meine.«
»Wie können Sie das sagen?«
Sie schloß die Augen. »Wenn
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