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Der Atem des Jägers

Titel: Der Atem des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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ist. Oder zumindest ein nahes Familienmitglied.
     Vielleicht eine jüngere Schwester oder ein Bruder. Ein persönlicher Rachefeldzug. Ein echter Scharfrichter. Solche Leute sind
     selten. In unserem Land sind es normalerweise immer Gruppen, die derartige Rachefeldzüge durchführen.«
    »Und das Assegai?”
    »Ich muß zugeben, das Assegai irritiert mich. Sprechen wir einmal über Erstechen versus Erschießen. Erstechen ist viel |310| persönlicher. Intimer und direkter. Das paßt zu einem persönlichen Verlust. Gibt ihm das Gefühl, daß er Rache nimmt. Kein
     Abstand zwischen ihm und dem Opfer, er agiert nicht im Dienste einer Gruppe, er repräsentiert nur sich selbst. Aber das hätte
     er auch mit einem Messer haben können. Weil er klug ist, weiß er, daß ein Messer schwierig sein kann. Und viel weniger effektiv.
     Er will es schnell hinter sich bringen. Er hat nichts übrig für den Tatort, wie viele von ihnen. Er hinterläßt keine Botschaften.
     Aber vielleicht will er seine Opfer mit dem Assegai einschüchtern, vielleicht kann er so die Situation sofort kontrollieren,
     seine Arbeit tun. Das ist natürlich frei spekuliert, ich kann da nicht sicher sein.« Sie drückte ihre Zigarette in dem kleinen
     Glasaschenbecher aus.
    Er sagte ihr, daß er auch glaubte, der Verdächtige sei weiß. Und er glaubte es immer noch, obwohl es Hinweise auf das Gegenteil
     gebe. Er erzählte ihr von Uniondale und der Tatsache, daß der Bericht über die Kindesmißhandlung nur im
Rapport
erschienen war. Sie stippte die Spitze ihres Fingers auf die Kekskrümel auf ihrem Teller und leckte sie ab. Noch einmal. Er
     fragte sich, ob sie wußte, daß er jetzt an Sex dachte, und dann war er überrascht, daß er überhaupt an Sex dachte, und schließlich
     sagte er: »Wenn er schwarz ist, haben Sie es schwerer.«
    Ein drittes Mal stippte ihr Finger auf den Teller und verschwand dann in ihrem Mund, und er schaute wieder auf ihre Lippen.
     Ein Eckzahn, bloß einer, war leicht nach innen gekippt.
    »Dann hielte ich ihn erst recht für ausgesprochen intelligent und motiviert. Und es wirft ein anderes Licht auf das Assegai.
     Jetzt reden wir über Symbolismus, über traditionelle Werte und traditionelle Justiz. Er ist erfahren, kennt sich in der Stadt
     aus. Er ist kein Farmer – man muß zu viel können, um drei weiße Opfer in weißen Stadtteilen zu exekutieren, ohne bemerkt zu
     werden. Er liest Zeitungen auf afrikaans. Er rechnet mit polizeilichen Ermittlungen. Deswegen ist er vielleicht nach Uniondale
     gefahren. Um die Aufmerksamkeit abzulenken. Sie sollten ihn nicht unterschätzen.«
    »Falls er schwarz ist.«
    |311| Sie nickte. »Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich.« Sie schaute auf ihre Uhr. »Ich muß los«, sagte sie und öffnete ihre
     Handtasche.
    Schnell erzählte er ihr von Sangrenegra und fragte, ob sie glaubte, die Falle könne funktionieren.
    Sie hielt ihre Geldbörse in der Hand. »Es wäre besser gewesen, wenn Sie eine Falle außerhalb Kapstadts hätten stellen können.
     Hier spürt er den Druck.«
    »Ich zahle«, sagte er. »Aber wird er kommen?«
    Sie zog eine Zehn-Rand-Note hervor. »Ich zahle die Hälfte«, sagte sie und legte das Geld mit der Rechnung unter die Untertasse.
     »Er wird kommen. Wenn Sie richtig mit den Medien umgehen, wird er kommen.«
     
    Er fuhr die Küste entlang, denn er wollte wieder nach Camps Bay. Er sah die Neubauten am Meer in Green Point. Große Wohnblöcke
     im Bau, Werbetafeln fabulierten romantisch von den fertigen Wohneinheiten. Ab 1,4 Millionen Rand. Er fragte sich, ob das diesen
     Teil der Stadt wiederbeleben würde. Was würden sie mit den
bergie -
Pennern tun, die auf den Hängen dahinter herumstrichen? Mit den alten, verfallenen Gebäuden dazwischen, von denen die Farbe
     abblätterte und in denen Zimmer stundenweise vermietet wurden?
    Er dachte an Christine van Rooyen, daß er ihr sagen sollte, was sie vorhatten, aber er würde die Worte sorgfältig wählen müssen.
    Auf der Küstenstraße durch Sea Point. Sah viel besser aus hier am Meer. Aber er wußte, daß es bloß Fassade war – weiter im
     Inland fand man Erosion und Verwahrlosung, dunkle Ecken und schmutzige Gassen. Brutstätten. Er hielt an einer Ampel und betrachtete
     das Gerüst an einem der Wohnblöcke am Ufer. Er fragte sich, wer diesen Kampf gewinnen würde. Europa gegen Afrika – reiche
     Briten und Deutsche gegen nigerianische und somalische Drogennetzwerke; die Südafrikaner waren bloß noch Zuschauer. Es

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