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Der Atem des Jägers

Titel: Der Atem des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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Kühlschrank und den großen Flachbildschirm.
     Neu. Ein Kinderbild vielfarbiger Tiere war mit Magneten an den Kühlschrank geklebt worden. Ein Krokodil, ein Rhinozeros, ein
     Löwe. Er sah die Kaffeemaschine in der Küche, schimmernder Chrom, mit Knöpfen und Hebeln. Aber die Hocker am Tresen waren
     verschrammt; ein Wohnzimmersessel war alt und abgenutzt. Zwei Welten in einer.
    An der Wand links von ihm lehnte ein Bild. Groß. Ein Original. Eine ländliche Gegend, ein blauer Berg in der Ferne, ein grünes
     Tal, das Gras auf dem Feld wuchs hoch und üppig. Ein junges Mädchen lief durch das Gras. Sie war eine kleine Figur linker
     Hand, winzig in der Landschaft, aber er konnte ihr blondes Haar wippen sehen. Vier oder fünf Schritte vor ihr schwebte ein
     roter Ballon, der Faden hing noch herunter, ein dünner, kaum sichtbarer schwarzer Strich vor dem Blau des Berges. Das Mädchen
     hatte die Hand ausgestreckt. Das Gras bog sich von ihm weg. Es muß der Wind sein, dachte er. Der ihren Ballon fortblies. Er
     fragte sich, ob sie schnell genug lief, um ihn zu erwischen.
    Er hatte beinahe eine Erektion.
    Sie würde das nicht fühlen können, sie berührte ihn dort nicht. Ihr Atem ging jetzt langsamer, aber er konnte ihr Gesicht
     nicht sehen.
    Er legte die Beine über Kreuz, um seine Erregung zu verbergen. Er konnte nichts dagegen tun; vieles hier erregte ihn. Zu wissen,
     daß Sex ihr Job war. Sie war attraktiv. Und verwundbar. Verletzt. Etwas in ihm reagierte darauf. Irgend etwas in seinem Hirn
     erfaßte die Situation und schickte primitive Befehle: Versuch dein Glück, die Zeit stimmt. Er wußte, daß sein Kopf so funktionierte.
     Seiner – und der aller anderen Männer. Auch der Geisteskranken, für die es mehr war als nur die Gelegenheit für einen sexuellen
     Erfolg. Zum Beispiel Serienmörder. |323| Sie suchten sich die schwachen, wehrlosen Opfer für ihre dunklen Bedürfnisse. Oft Prostituierte. Nicht immer absichtlich,
     bewußt und geplant. Es war Instinkt. Er erinnerte sich an etwas, das er in seiner Vor-Alkoholiker-Phase herausbekommen hatte.
     Er war ein guter Polizist, weil er die anderen aufgrund seiner Selbsterkenntnis verstand. Er konnte seine eigenen Schwächen
     nutzen, seine eigenen Ängste und Ahnungen, denn er kannte sie. Er konnte sie vergrößern, konnte sie mit einem gedanklichen
     Lautstärkeregler hochdrehen auf eine Dimension, wo sie andere Leute morden oder vergewaltigen ließen, lügen oder stehlen.
     Und als er nun hier saß, wurde ihm klar, daß das einer der Gründe dafür war, daß er angefangen hatte zu saufen. Die schleichende
     Erkenntnis, daß er genauso war wie sie und sie wie er, er war kein besserer Mensch. Und in der letzten Nacht, oder der davor,
     er wußte es nicht mehr, als er im Geiste Anna und ihren jungen, eingebildeten Liebhaber vor sich gesehen hatte, als seine
     Eifersucht hatte ihn fast durchdrehen lassen, als er hatte töten wollen. Wenn er sie so gefunden hätte, wenn er seine Dienstwaffe
     bei sich gehabt hätte, hätte er den Scheißkerl erschossen, genau zwischen die Augen, daran hatte er keinen Zweifel.
    Aber das war nicht der Hauptgrund, aus dem er trank. Nein, es war nicht der einzige Grund. Es gab andere. Große und kleine.
     Er begann sie jetzt alle zu sehen. Er hatte tausend Facetten, und es war einfach sein Pech, daß seine Form so gut in die spiegelbildliche
     Form des Alkoholismus paßte.
    Wie er war, hatte Konsequenzen. Wie die feinen Drähtchen in seinem Hirn Verbindungen herstellten, Implikationen ableiteten.
     So konnte er an einen Tatort gehen und etwas
sehen
; so erwachte in ihm der Drang zu jagen. Die Suche war ihm angenehm; in seinem Kopf nahm er das süchtige Vergnügen wahr. Aber
     dieselbe Verdrahtung ließ ihn saufen. Wenn man jagen und suchen wollte, mußte man dem Tod ins Auge schauen. Und wenn der Tod
     einen ängstigte? Dann trank man, denn das gehörte auch dazu. Und wenn man genug trank, dann sorgte der Alkohol für seine eigenen
     Verdrahtungen, |324| seine eigenen Gedanken, seine eigene Berechtigung. Seine eigene dicke Brille, durch die man sich und die ganze Welt sah.
    Was konnte man tun? Was konnte man tun gegen die Konsequenzen, die andere Seite der Medaille, wenn man sein Leben in die Scheiße
     geritten hatte? Bei der Polizei kündigen und mit einem weißen Toyota Tazz für
Chubb Security
nachts durch Brackenfells Straßen fahren und den Leuten Zettel unter der Tür durchschieben?
Sie haben Ihr Fenster offen gelassen. Ihr Alarm

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