Der Atem des Jägers
Möglichkeit. Vielleicht
hat er ein Kind durch ein Verbrechen verloren. Vielleicht hat das System in seinem Fall versagt. Wir müssen uns den Säugling
ansehen, den Enver Davids vergewaltigt hat. Gibt es einen Vater, der sich rächen will? Die Familien der Kinder, die Pretorius
mißbraucht hat. Aber es ist auch möglich, daß er mit keinem dieser Verbrechen in direktem Zusammenhang steht. Und was die
Hautfarbe angeht: Wir dürfen uns nicht durch das Assegai auf eine falsche Fährte locken lassen. Das könnte ein geschickter
Schachzug sein, um uns in die Irre zu führen. Es handelt sich um einen Mann, der Davids in einer farbigen Gegend genauso leicht
aufgespürt hat, wie er am frühen Abend in Pretorius’ Haus in einem weißen Stadtteil eingedrungen ist. Wir dürfen also keine
voreiligen Schlüsse ziehen. Aber ich schwöre, das Assegai bedeutet etwas. Etwas Wichtiges. Irgendwelche Vorschläge?«
Sie saßen da und hörten gebannt zu.
»Wir können diese Sache von vier Seiten aus angehen. Erstens müssen wir herausfinden, ob wir Verdächtige ausmachen können,
die den ursprünglichen Kinderopfern nahestehen. Zweitens müssen wir alle ungeklärten Verbrechen gegen Kinder überprüfen. Wir
müssen im Western Cape beginnen, denn da operiert er. Wenn wir nichts finden, müssen wir die Suche ausweiten. Das ist ein
langer Prozeß, ich weiß. Die Nadel im Heuhaufen. Aber es muß gemacht werden. Drittens ist da die Mordwaffe. Wir wissen, daß
es sich um ein typisches Zulu-Assegai handelt. Wir wissen, daß es auf traditionelle Art von Hand gefertigt wurde, höchstwahrscheinlich
im letzten Jahr. Das heißt, wir müssen herausfinden,
wo
es hergestellt wurde. Wie es vertrieben und verkauft wurde. Und warum sollte jemand ein Assegai wählen? Darüber müssen wir
mit den |242| Psychologen der Spurensicherung sprechen. Können mir soweit alle folgen?«
Er sah Bushy Bezuidenhout und Matt Joubert nicken. Die anderen saßen bloß da und starrten ihn an.
»Das Problem bei allen drei Vorgehensweisen besteht darin, daß sie spekulativ sind. Wir müssen einfach losmarschieren und
hoffen, daß etwas dabei rauskommt, aber es gibt keine Garantien. Und wir brauchen Zeit – die jedoch haben wir nicht. Die Medien
drehen durch und es gibt politische Probleme … Deswegen möchte ich einen vierten Weg probieren. Und dafür brauche ich eure
Hilfe. Ich habe mich gefragt, wie er seine Opfer auswählt. Und ich glaube, es gibt zwei Möglichkeiten: Er ist Teil des Justizsystems,
oder er findet sie in den Medien. Über alle drei Opfer wurde in den Medien berichtet. Über Davids, als er freigelassen wurde,
über Pretorius’ Gerichtsverfahren, über Laurens, als sie verhaftet wurde. Also ist er entweder Teil des Justizsystems, ein
Polizist, Ankläger, Gerichtsdiener oder so …« Sie rutschten zum ersten Mal unruhiger umher, seit er zu reden begonnen hatte.
»… oder er ist einfach ein Bürger, der Zeit hat, Zeitung zu lesen oder Nachrichten im Fernsehen zu gucken. Das ist wahrscheinlicher.
Aber so oder so – auf diese Weise werden wir ihn kriegen. Ich möchte von jedem ernsten Verbrechen gegen Kinder in der nächsten
Woche wissen. Wir suchen etwas, das wir groß den Medien zuspielen können. Wir wollen etwas, über das alle reden.«
Jamie Keyters Stimme kam von irgendwo in der Nähe der Wand: »Du willst ihm eine Falle stellen, Benny?«
»Das stimmt. Wir wollen ihn in flagranti erwischen.«
»Sup«, sagte Bushy Bezuidenhout, »da ist etwas, das ihr alle von Anfang an wissen solltet.«
Griessel, Keyter, Bezuidenhout und Cupido saßen in Jouberts Büro, bis der Lehrsaal geräumt war.
»Spuck’s aus, Bushy«, sagte Joubert.
»Ich habe kein Problem mit diesem Typen.«
|243| »Du meinst den Assegai-Mann?«
»Genau.«
»Ich bin nicht sicher, daß ich dich richtig verstehe, Bushy?«
»Benny sagt, er sei eine Art Serienmörder. So sehe ich das nicht. Dieser Kerl tut, was wir schon vor langer Zeit hätten tun
sollen. Er schnappt sich diese Dreckschweine, die Kindern etwas antun, und legt sie um. Teufel, Sup, ich habe den ursprünglichen
Fall Davids bearbeitet. Lester Mtetwa und ich standen da und haben geweint, als wir die Babyleiche sahen. Und als wir Davids
verhaftet haben, mußte ich Lester zurückhalten, denn er wollte diesem Tier die Birne wegblasen, so wütend war er.«
»Ich verstehe, Bushy. So geht es uns allen. Die große Frage ist: Wird es dich daran hindern, deine Arbeit zu tun?
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