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Der Aufbewarier (German Edition)

Der Aufbewarier (German Edition)

Titel: Der Aufbewarier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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Es war dunkel. Er tastete nach seiner Armbanduhr. Zehn nach acht.
    »Axel, nun wachen Sie schon endlich auf. Ihr Kollege, der Gisch, meint, es sei dringend.«
    Für einen Moment glaubte Daut, in einer Art Zeitschleife gefangen zu sein und ständig das Gleiche zu erleben. Die Engelmann gab aber keine Ruhe, und so schwang er die Beine aus dem Bett. Dabei trat er fast in den Karton mit der Wurst und der Schnapsflasche und schob ihn mit den Füßen unter das Bett. So schnell es ging, zog er sich die Uniform an, und zehn Minuten später verließ er die Wohnung.
     
    »Na endlich!« Gisch war hörbar genervt. »Mir geht das wirklich auf den Geist, dass ich dich jedes Mal zum Dienst abholen muss.«
    »Ganz meinerseits«, brummte Daut, der nachzurechnen versuchte, wie viele Stunden er in den letzten Tagen geschlafen hatte.
    »Was gibt es diesmal so Wichtiges, von dem der Herr Revierhauptmann meint, dass ihr es nicht ohne meine Hilfe schaffen könnt.«
    Gisch überhörte die Ironie und antwortete kurz angebunden.
    »Einsatzbefehl.«
    »Das dachte ich mir. Geht es ein bisschen genauer?«
    »Schon wieder Ärger mit dem Judenpack. Es wird Zeit, dass wir da endgültig aufräumen.«
     
    Als sie am Revier ankamen, stand ein Mannschaftswagen bereit. Acht Kollegen saßen frierend auf der offenen Pritsche, entsprechend fielen die Begrüßungen und Kommentare aus, nachdem Daut als Letzter aufgestiegen war. Auch Revierhauptmann von Grätz war dabei.
    Kaum war die Klappe geschlossen, brauste der Fahrer los. Gisch wäre fast von der Bank gerutscht.
    »Mensch, Egon, mach langsam. Oder wartet deine Olle im warmen Bette?«
     
    Als die Polizisten in der Rosenstraße vom Wagen sprangen, bot sich ihnen eine gespenstische Szenerie. Trotz Dunkelheit und Kälte standen immer noch ein paar Dutzend Frauen eng beieinander auf dem Bürgersteig. Die meisten hatten sich zusätzlich zu ihren Wintermänteln noch in Decken gehüllt, einige wärmten ihre Hände in Pelzmuffs, die zum Teil schon bessere Zeiten gesehen hatten.
    Vor dem Eingang hielt wie immer ein SS-Mann Wache, allerdings hatte ein bulliger, vierzigjähriger Rottenführer das Jüngelchen des Nachmittags ersetzt. Vor der Mauer des Wohlfahrtsamtes lagen Pakete unterschiedlicher Größe, manche wie ein Geschenk verpackt, andere nachlässig zusammengeschnürt.
    »Nun bringt endlich die Päckchen rein. Werden ja noch ganz nass.« Die Stimme der Frau klang heiser.
    Von Grätz baute sich vor seiner Mannschaft auf.
    »Gitter vom Wagen holen und Zaun aufstellen.«
    Die Männer bildeten eine Kette, und nach wenigen Minuten war ein Zaun zwischen den Frauen und dem Gebäude mit der Hausnummer zwei errichtet.
    Die Frauen äußerten zwar nicht laut, aber deutlich ihren Unmut.
    »Was soll das denn jetzt?« - »Wo sollen wir denn jetzt die Pakete abgeben?« - »Lasst einfach unsere Männer frei, dann sind wir weg.«
    Daut hatte gerade den letzten Bolzen am Gitter eingeschlagen, als er Carla in der Menge sah. Er zeigte mit der Hand in Richtung Litfaßsäule und ging, um kein Aufsehen zu erregen, betont langsam über die Straße.
    Carla war sichtlich aufgeregt, ihre Wangen waren gerötet, und sie trat von einem Fuß auf den anderen.
    »Er ist hier, Axel.«
    Sie griff in die Manteltasche und reichte Daut den Zettel.
    »Das ist gut, aber jetzt geh nach Hause, Carla. Du musst schlafen.«
    Carla senkte den Kopf. Sie wusste, dass Daut recht hatte, denn die Müdigkeit drückte sie fast zu Boden.
    Daut wollte gerade zurück zum Mannschaftswagen gehen, als die durch ein Megafon verzerrte Stimme des Revierhauptmanns die Straße beschallte.
    »Herhören! Wir fordern Sie auf, die Straße umgehend zu räumen. Andernfalls werden wir mit Zwangsmaßnahmen gegen Sie vorgehen. Also: Räumen Sie die Straße!«
    Von Grätz ließ das Sprachrohr sinken, hob es dann aber noch einmal an den Mund und sagte viel leiser.
    »Nun geht schon nach Hause.«
    Tatsächlich kam Bewegung in die Gruppe. Die Frauen diskutierten miteinander. Eine große, schlanke Blondine in einem viel zu weiten Ledermantel löste sich von der Gruppe.
    »Gut, wir gehen. Aber wir kommen wieder. Morgen. Übermorgen. So lange, bis unsere Männer und Söhne frei sind. Und wir werden jeden Tag mehr werden.«
    Die Gruppe löste sich auf, und langsam leerte sich die Straße.
    Von Grätz drehte sich zu seinen Leuten um.
    »Hier gibt es nicht mehr viel zu tun. Zwei Mann sollten reichen. Gisch und Daut, Sie halten Wache.«
    »Jawoll, Herr Revierhauptmann!«, brüllte

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