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Der Aufbewarier (German Edition)

Der Aufbewarier (German Edition)

Titel: Der Aufbewarier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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Carlas Verzweiflung, sprach aber erst in sachlichem Ton mit Charlotte.
    »Noch ist nichts passiert, mein Kind. Wir wissen, dass sie Kurt ins Wohlfahrtsamt gebracht haben. Das ist ein gutes Zeichen, denn dorthin bringen sie nur Juden, die mit Nichtjuden verheiratet sind. So lange er in Deutschland ist, gibt es eine Chance. Es nützt nichts, wenn wir jetzt verzweifeln.«
    Charlottes Tränen schienen zu versiegen. Sie beruhigte sich langsam, ohne dass die Traurigkeit aus ihrem Blick verschwand.
    Weidt legte seine Hand auf Carlas Arm.
    »Lass uns in die Werkstatt gehen, ich möchte dir etwas zeigen.«
    Carla verstand, er wollte sie alleine sprechen, denn Charly durfte das Büro nicht verlassen. So sehr Weidt seinen Mitarbeitern auch vertraute, das Versteck konnte durch ein unbedachtes Wort jederzeit auffliegen. Besser niemand wusste von der geheimen Kammer hinter dem Bücherschrank.
     
    In der Werkstatt setzten sich Carla und Weidt möglichst weit weg von den Arbeitern auf zwei niedrige Hocker. Carla beobachtete den blinden Mann, wie er mit den Händen das Holz betastete und an einer unebenen Stelle hängen blieb. Sein Gesichtsausdruck war konzentriert, als gäbe es für diesen Augenblick nichts Wichtigeres, als diesen Hocker und den Holzsplitter, der sich gelöst hatte. Carla wartete, bis Weidt sich ihr mit der gleichen Konzentration und Hingabe zuwandte. Er sprach so leise, dass sie ihr Ohr fast an seinen Mund führen musste. Carla blickte sich einmal kurz um. Einige Arbeiter schauten zu ihnen herüber. Für sie musste es aussehen wie eine zärtliche Umarmung, dachte sie und hatte ein gutes Gefühl dabei.
    Weidt sprach wie immer sehr sachlich und ruhig.
    »Du weißt selbst, wie gefährlich die Lage für Kurt und die anderen im Wohlfahrtsamt ist. Aber noch ist sie nicht aussichtslos. Ich habe gehört, dass viele Firmen ihre Juden nicht gehen lassen wollen. Arbeitskräfte sind knapp, wo alle gesunden Männer an der Front sind, und nicht jede Aufgabe ist für Frauen geeignet. Wie es scheint, haben einige Unternehmen gegen die Inhaftierung ihrer Mitarbeiter protestiert und angekündigt, die Produktionspläne nicht erfüllen zu können, wenn die Arbeiter nicht zurückkommen.«
    »Kurt hat oft davon gesprochen, dass die jüdischen Kollegen für Borsig viel zu wichtig seien, als dass sie auf sie verzichten könnten. Ich habe immer gedacht, er wolle mich damit nur beruhigen.«
    »Es scheint, als könnte er recht haben. Dazu kommt der Protest von euch Frauen. Man erzählt sich, dass Goebbels vor Wut tobt. Es passt ihm nicht, dass mitten in Berlin deutsche Frauen für ihre jüdischen Männer demonstrieren. Möglich, dass er die Kundgebung mit Gewalt auflösen lässt, vielleicht geschieht aber auch ein Wunder.«
    Carla rückte ein Stück von Weidt ab und versteifte sich.
    »Wunder, daran glaube ich schon lange nicht mehr.«
    »In diesem Fall solltest du es aber, Carla. Es besteht durchaus eine kleine Chance, dass sie die Juden, die mit Ariern verheiratet sind, nicht wegbringen.«
    Weit spuckte das Wort Arier voll Verachtung aus.
    »Es gibt dafür natürlich keine Garantie, und trotzdem sollten wir alles für den Tag vorbereiten, an dem Kurt freigelassen wird.«
    Allein die Tatsache, dass Weidt die Möglichkeit in Betracht zog, dass Kurt aus der Haft entlassen werden könnte, gab Carla neuen Mut.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ihr solltet das Schicksal nicht noch einmal herausfordern. Wenn Kurt das Sammellager verlassen darf, sollte er sofort untertauchen. Er braucht ein sicheres Versteck. Dabei kann ich euch helfen, aber ein Unterschlupf allein wird nicht reichen. Er braucht Papiere.«
    Carlas aufgekeimte Hoffnung schwand wieder.
    »Wie sollen wir denn an Ausweise kommen? Das ist doch unmöglich.«
    Weidt setzte sich kerzengerade auf und richtete seine Brille.
    »Du hast mir doch von diesem Polizisten erzählt. Der müsste doch ...«
    Carla schüttelte energisch den Kopf.
    »Ich glaube nicht, dass er uns helfen kann. Er ist doch nur ein einfacher Wachtmeister.«
    »Nicht so schnell, mein Kind.«
    Weidt klang auf einmal sanft und väterlich.
    »Ich habe mich über ihn erkundigt. Er war bis vor knapp zwei Jahren bei der Kripo, da wird er noch Kontakte haben. Außerdem gibt es merkwürdige Gerüchte über seine Degradierung zum Streifendienst. Seine Frau wurde angeblich beinahe wegen Wehrkraftzersetzung und Feindbegünstigung angeklagt. Er selbst soll sich seiner Versetzung zu einer Einsatzgruppe der SS widersetzt haben. Klingt mir

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