Der Aufbewarier (German Edition)
verführte.
»Kommen wir noch mal zur Hochzeit Ihrer Tochter. Das war ja eine große Feier.«
Quint hat sich wieder gefangen und antwortete wie aus der Pistole geschossen.
»Ich habe nur eine Tochter, und sie heiratet einen Mann aus angesehenem Hause.«
»Ja, das lässt man sich gerne etwas kosten, nicht wahr? Wie mir der Geschäftsführer des Löwenbräu gestern erzählte, sind Sie für alle Kosten aufgekommen, haben sogar eine beträchtliche Anzahlung im Voraus geleistet. Wo kann man denn Zwanzig-Goldmark-Stücke heutzutage am besten zu Bargeld machen?«
Das saß. Daut registrierte zufrieden, dass Quint krampfhaft versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Sein rechtes Auge blinzelte kurz, dann blickte er zur Decke. Er konzentriert sich, dachte Daut.
»Ich habe keine Ahnung, Herr Wachtmeister. Bei der Sparkasse vielleicht?«
»Herr Quint, Sie enttäuschen mich. Es ist doch nun wirklich nicht wahrscheinlich, dass Sie mit den Goldmarkstücken, die Martha Grahn Ihnen zur Aufbewahrung gegeben hat, zur Bank gegangen sind. Viel zu gefährlich. Wer weiß, wie so ein kleiner Sparkassenangestellter reagiert, wenn er in diesen Zeiten plötzlich Goldmünzen in der Hand hält. Da ruft er doch vielleicht zur Sicherheit den Herrn Direktor, und der ... nein, das Risiko sind Sie nicht eingegangen, Herr Quint, dazu sind Sie viel zu schlau. Sie haben die Münzen bei irgendeinem Hinterhofhehler schwarz getauscht.«
Daut sah, dass er einen Wirkungstreffer gelandet hatte. Quint taumelte regelrecht, aber fiel noch nicht.
»Ich weiß nicht, was das alles soll. Ich habe die Hochzeit meiner Tochter aus meinen Ersparnissen bezahlt. Ich leiste mir ja sonst nichts, im Gegenteil, ich lebe überaus bescheiden und zurückgezogen seit dem Tod meiner Frau.«
Daut sprang vom Stuhl auf und beugte sich über den Schreibtisch. Sein Gesicht war höchstens vierzig Zentimeter von Quints entfernt.
»Sie leugnen also, Martha Grahn und ihre Tochter getötet zu haben, als die Jüdin die Wertsachen zurückforderte, die sie Ihnen zur Aufbewahrung gegeben hatte?«
Für einen Moment dachte Daut, Quint würde gestehen. Er hatte sich getäuscht.
»Schämen Sie sich, so mit mir zu reden! Ich werde Ihrem Vorgesetzten Meldung machen, und Ihrem auch, Herr Kommissar. Und dem Gauleiter persönlich werde ich schreiben.«
Daut hatte sich keinen Zentimeter zurückgezogen und erhob jetzt deutlich die Stimme.
»Oh ja, schreiben Sie Herrn Doktor Goebbels, dass Sie monatelang eine Liaison mit einer Jüdin hatten, mit ihr das Bett geteilt haben. Wir jedenfalls werden unsere Vorgesetzten von unserem Verdacht in Kenntnis setzen und sie um die Genehmigung zur Durchsuchung Ihrer Wohnung bitten.«
Daut drehte sich langsam um, gab Rösen ein Zeichen, und sie gingen zur Tür. Bevor sie den Raum verließen, sah er noch einmal zurück.
»Auf Wiedersehen, Herr Zellenleiter Quint.«
Als sie das Gebäude verlassen hatten und zum Wagen gingen, sagte Rösen leicht irritiert:
»Was sollte dieser Quatsch mit der Genehmigung der Hausdurchsuchung. Wir können doch einfach reingehen.«
»Und wenn wir nichts finden?«
»Ich denke, du bist dir so sicher, Axel.«
»Schon, aber du weißt doch, man muss sich immer eine Hintertür offenhalten. Sollten wir nichts von dem Schmuck entdecken und auch keine Blutspuren, haben wir vermutlich ein Problem am Hals. Wenn er unschuldig ist, wird Quint sich über uns beschweren - und zwar ganz oben bei der Partei. Bis jetzt haben wir ihn ja nur freundlich befragt.«
Sie hatten das Auto erreicht, und Rösen öffnete die Tür.
»Weiter sind wir dank deiner grandiosen Taktik jetzt aber auch noch nicht, Axel.«
»Das werden wir sehen. Auf jeden Fall hast du vermutlich heute Nachtschicht.«
Rösen schaut ihn fragend an.
»Na ja, ich übernehme die Observation von Quints Haus bis heute Nachmittag, sagen wir fünf Uhr. Dann löst du mich ab.«
»Das haben sich der Herr Wachtmeister ja schön ausgedacht. Geht die Einteilung nicht nach Dienstgrad, Ranghöhere zuerst?«
»Tut mir leid, Ernst, aber ich habe heute Abend eine Verabredung.«
»Mit einer Dame?«
»Ja, mit einer Dame. Aber frag gar nicht erst, wer sie ist. Du würdest mir eh nicht glauben.«
Zehn Minuten fuhren sie schweigend über fast leere Straßen, ehe Daut sich traute.
»Ich muss dich etwas fragen, Ernst. Es wird dir komisch vorkommen, aber es ist wichtig.«
Rösen schaute neugierig zur Seite.
»Nur zu.«
»Angenommen, jemand wollte sich eine neue Identität
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