Der Aufbewarier (German Edition)
mit der Leander gehen.«
»Ich habe keine Verabredung mit der Leander, ich bin lediglich zu einer Galaveranstaltung eingeladen.«
»Papperlapapp. Zarah Leander hat Ihnen eine Karte geschickt, das zählt.«
Während er ins Bad ging, um sich zu rasieren, verschwand sie im Zimmer ihres Sohnes, das er sie nie zuvor hatte betreten sehen. Als er fertig war, stand sie mit zwei Anzügen, einigen Hemden und Krawatten über dem Arm im Flur.
»Sie haben die gleiche Figur wie mein Winfried. Probieren Sie erst einmal den hier, der müsste passen.«
Daut zog den Smoking an, und er saß perfekt. Bertha klatschte in die Hände.
»Fehlen nur noch Zylinder und Schal, und der Herr macht eine gute Figur.«
Sie polierte ihm noch die Schuhe, während er einen zum Anzug passenden Handschuh aussuchte. Und so saß er angemessen gekleidet in diesem Luxuswagen, neben sich die schönste Frau, der er seit Langem begegnet war – ein Eindruck, der durch den Kontrast zum Aussehen der meisten Frauen in diesen Zeiten verstärkt wurde. Eleganz gab es nur noch auf der Leinwand - und jetzt in dieser Limousine. Carla trug ein bodenlanges, rückenfreies Abendkleid aus einem fließenden, weißen Stoff. Hinten war es geknöpft, und es saß so eng am Körper, dass Daut Carlas weibliche Rundungen nicht übersehen konnte. Auch ihre Frisur war außergewöhnlich, bis auf ein paar freche Strähnen vorne und ein paar vorwitzigen Locken, die in den Nacken fielen, waren die Haare streng hochgekämmt. Das passte perfekt zu ihrem länglichen Gesicht mit den ausgeprägten Wangenknochen. Sie war dezent geschminkt und hatte auf Schmuck verzichtet. Eleganz gepaart mit Schlichtheit. Carla bemerkte Dauts bewundernde Blicke.
»Alles nur geliehen. Aber dein Anzug ...«
Daut lachte los.
»Genauso geborgt.«
Er genoss die Fahrt. Die Stahltüren des Autos schlossen die Wirklichkeit aus. Er fühlte sich wie in einem sicheren, warmen Kokon. Nur einen Moment dachte er an Rösen, der jetzt in einem weit weniger luxuriösen Gefährt in Weißensee vor dem Haus von Quint saß. Als Daut ihn nachmittags abgelöst hatte, berichtete Rösen vom Ergebnis der kriminaltechnischen Untersuchung des Grahnschen Kellers. Nicht einen Spritzer menschlichen Blutes hatten sie gefunden. Und auch sonst keine Spur. Blieb nur zu hoffen, dass Daut recht hatte, sonst stünden sie morgen mit leeren Händen da und konnten von vorne anfangen.
Limousine auf Limousine fuhr am Eingang der Ausstellungshallen am Zoo vor. Ein Page öffnete die Wagentür, und ein weiterer geleitete sie an Zarah Leanders Tisch. Die Diva hatte ihre Haare zu einem kunstvollen Gebilde hochgesteckt. Ihr Kleid war wie Carlas gerade geschnitten, aber am Rücken noch tiefer ausgeschnitten. Als sie Carla und Daut kommen sah, schenkte sie ihnen jenes Lächeln, das eine große Kinoleinwand zum Leuchten bringen konnte. Eine weiße Pelzstola glitt von ihren Schultern, als sie Daut die Hand zum Kuss reichte. Wann hatte er das letzte Mal einer Frau die Hand geküsst? Hatte er es überhaupt schon einmal gemacht? Er hoffte, sich nicht allzu ungeschickt angestellt zu haben. Zarah schien zufrieden, und er versank fast in den Augen, die Millionen Männer in den Kinosälen Europas anschmachteten. Sie drehte sich zu den anderen Gästen am Tisch um.
»Darf ich Ihnen meine Freunde vorstellen.«
Erst jetzt sah Daut, mit wem er diesen Abend verbringen würde. Michael Jary kannte er ja bereits, dazu kamen Hans Albers und Ilse Werner. Sie musterten ihn ungeniert, bis Albers eine Karaffe Rotwein nahm und Dauts Glas füllte.
»Sie sehen verfroren aus, da ist ein kräftiger Bordeaux genau das Richtige.«
Daut fühlte sich, als wäre er in die Szene eines Films hineingestolpert. Alles war unwirklich. Der festlich geschmückte Saal, die glanzvoll mit wertvollem Porzellan und Kristall gedeckten Tische, die elegant gekleideten Menschen, deren Stimmen er bestens kannte, obwohl er ihnen nie begegnet war.
Die Künstler am Tisch hatten inzwischen das Interesse an ihm verloren und plauderten launig über die bevorstehenden Filmpremieren. »Münchhausen« mit Hans Albers und Ilse Werner wurde noch am späten Abend uraufgeführt, Zarah Leanders »Damals« sollte morgen folgen. Albers‘ unverkennbare Stimme dröhnte:
»Ich kann nicht verstehen, Zarah, dass sie dich immer noch in Schwarzweiß versauern lassen. Dem Farbfilm gehört die Zukunft, du solltest beim nächsten Mal darauf bestehen.«
»Beim nächsten Mal ...« Zarah flüsterte die Antwort nur,
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