Der Aufstand Auf Dem Jahrmarkt
dich auf mich, so! Dann suchen wir dir einen sicheren Winkel und sehen zu, was wir für euch beide tun können.«
Philip, so erschöpft, daß er seinen Beinen nicht zutraute ihn zu tragen, fragte mit tonlos heiserer Stimme: »Ist sie...?«
»Sie atmet«, sagte Bruder Cadfael aufmunternd. »Komm und hilf mir, für sie zu sorgen, und mit Gottes Hilfe wird sie durchkommen.«
Emma schlug die Augen auf und sah einen heiteren, blassen Himmel und zwei sorgenvolle Gesichter. Bruder Cadfaels erkannte sie sofort, denn es trug seinen gewohnten, verschmitzt-liebenswürdigen Ausdruck, wenngleich sie sich nicht vorstellen konnte, wie er hierhergekommen war oder wo sie sich überhaupt befand. Das andere Gesicht war ihrem eigenen so nahe, daß sie es verschwommen sah, und es war ein wildes und fremdes Gesicht, rußgeschwärzt von der Stirn bis zum Kinn, überronnen von getrockneten Rinnsalen des Schweißes und der Tränen, das braune Haar auf einer Kopfseite gekräuselt und schwarz versengt. Aber es hatte zwei klare braune Augen, die so aufrichtig schauten wie der freundliche Sommerhimmel und sie mit einem Ausdruck so tiefer Ergebenheit ansahen, daß das Gesicht, so beeinträchtigt es war und so wenig es sich durch Schönheit auszeichnete, das freundlichste und beruhigendste zu sein schien, das sie je gesehen hatte. Das Gesicht, das ihre Augen zuletzt gesehen hatten, bevor es in Flammen und Rauch versunken war, war das Gesicht des Ehrgeizes, der Gier und des mörderischen Eigennutzes in einer gewinnenden Hülle von Schönheit gewesen. Dieses Antlitz war die andere Seite der menschlichen Medaille.
Erst als sie sich ein wenig regte und er seine Haltung veränderte, um es ihr bequemer zu machen, wurde ihr bewußt, daß sie in seinen Armen lag. Allmählich kehrten Gefühl und Erkennen von Zusammenhängen zurück, selbst der Schmerz ließ sich Zeit. Ihr Kopf war an seine Schulter gebettet, ihre Wange ruhte an seinem Kittel.
Die Arbeitskleider eines Handwerkers, aus grobem Wollstoff...
Natürlich, er war Schuster. Ein Handwerkersohn ohne Bedeutung! Es ließ sich viel zu seinen Gunsten sagen. Der Gestank von Rauch und Brand hing noch in ihren Kleidern und Haaren, trotz Cadfaels Bemühungen mit einer Schüssel Wasser aus dem Brunnen. Der Handwerkersohn ohne Bedeutung war auf ihrer Fährte in das Herrenhaus eingedrungen und hatte sie lebend herausgeholt. Soviel hatte sie ihm bedeutet. Eine Krämerstochter...
»Ihr Augen sind offen«, flüsterte Philip aufgeregt. »Sie lächelt.«
Cadfael beugte sich über sie. »Wie sieht es jetzt mit dir aus, Tochter?«
»Ich bin am Leben«, antwortete sie kaum hörbar, aber mit großer Freude.
»So ist es, Gott sei gedankt, und gleich nach Gott unserem Philip hier. Aber lieg still, wir werden einen Umhang suchen, in den wir dich wickeln können, denn du wirst die Kälte fühlen, die nach der Gefahr kommt. Und Schmerzen wird es auch geben, mein armes Kind.« Von den Schmerzen wußte sie schon. »Du hast eine schlimm verbrannte Hand, und ich habe hier keine Salbe, ich kann nicht mehr tun, als sie vor der Luft schützen, bis wir heimkehren. Laß die Hand ruhig liegen, wenn du kannst, je ruhiger, desto besser. Wie konnte es geschehen, daß du mit Ausnahme der Brandwunden an einer Hand heil und ganz davongekommen bist?«
»Ich steckte sie ins Kohlenbecken«, sagte Emma, der alles wieder einfiel. Sie sah, mit welch erschrockenem Blick Philip diese Nachricht aufnahm, und begriff, was sie gesagt hatte. Und plötzlich erschien ihr am wichtigsten, daß Philip nicht alles wissen sollte, daß seine freimütige Klarheit nicht mißbraucht werden sollte, um der Anwendung von Lügen, Täuschungen und Ausflüchten nachzuforschen, ganz gleich, wie rechtmäßig die Sache sein mochte, der sie dienten. Eines Tages würde sie es vielleicht jemandem erzählen, aber nicht Philip.
»Ich fürchtete mich vor ihm«, fuhr sie fort, »und ich warf das Kohlenbecken um. Ich hatte nie die Absicht, solch einen Brand zu legen...«
Irgendwo seltsam entfernt von dem Winkel des Friedens, wo sie lag, boten Hugh Beringar und die Soldaten der Stadtwache, die ihm von Shrewsbury gefolgt waren, ihre eigenen Kräfte und die der erschöpften und verzweifelten Bediensteten auf, um zu retten, was zu retten war. Sie übergossen die noch durch Funkenflug gefährdeten Nebengebäude mit Wasser, so daß die Tiere untergebracht werden konnten und die Knechte und Mägde wenigstens ein Dach über dem Kopf hatten. Die Feuersbrunst hatte so heftig
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