Der Aufstand Auf Dem Jahrmarkt
wütenden Verwünschungen, doch war all sein Bestreben einstweilen auf die Rettung des Briefes gerichtet. Er riß sich den Kittel herunter, wickelte eine Ecke davon um seine Hand und faßte wieder nach der qualmenden, tief in der Glut steckenden Pergamentrolle. Und er würde sie bekommen, angesengt und vielleicht unvollständig, aber ausreichend für seine Zwecke, da die äußere Hülle noch nicht durchgebrannt war. Er durfte sie nicht haben, sie ertrug es nicht! Als er zugriff, bückte sie sich, faßte mit der unversehrten Hand nach dem Bein des Kohlenbeckens und warf es um, so daß ihn die Glut von den Hüften abwärts überschüttete.
Er schrie laut auf und sprang zurück. Glühende Holzkohle flog in alle Richtungen und wurde weithin über den Boden verstreut. Rauch und Gestank verbrannter Wolle verbreiteten sich vom nächsten Teppich, und da und dort züngelten die ersten Flammen, erreichten den zundertrockenen Saum eines Wandteppichs zwischen zwei Fenstern. Es gab ein seltsames Geräusch wie ein mächtiges Einatmen, und eine feurige Lohe schoß empor, wuchs zu einem Feuerbaum, der auf allen Seiten züngelnde Äste ausbreitete und im Nu den ganzen Raum zwischen den Fenstern einhüllte, um sich in rasender Geschwindigkeit nach beiden Seiten auszubreiten und die staubigen Tapisserien an den benachbarten Wänden zu erreichen.
Eine spröde Feuerschale hüllte den Raum ein, bevor Emma ihre entsetzte Erstarrung überwinden konnte. Sie sah die Jäger und Jägerinnen in den Wandbehängen für einen Augenblick zu bebendem zuckenden Leben erwachen, die Hunde springen, die Waldbäume im grellen Licht schimmern, bevor sie sich in Rauch und Asche auflösten.
Von einem Dutzend brennender Fragmente, die über den Boden verstreut lagen, dem schwelenden Teppich und den hölzernen Wänden stieg beißender Rauch auf, und die Sicht trübte sich rasch.
Irgendwo in diesem unvermittelt ausgebrochenen Inferno jenseits des umgeworfenen Kohlenbeckens wälzte sich schreiend Ivo Corbiere, die Kleider und Haare in Flammen, verstrickt in einen lichterloh brennenden, in Glut zerfallenden Streifen vom Wandbehang. Die Wand hinter ihr war in der Mitte noch unversehrt, doch auch hier drangen die Flammen rasch von beiden Seiten vor.
Ihr Blick fiel auf einen vom Feuer unberührt gebliebenen Schafwollteppich, und sie faßte danach und versuchte ihn zu dem brennenden Mann zu schleifen, aber der Rauch verdichtete sich zusehends, brannte in ihren Augen und zwang sie zu husten, und allenthalben stießen Feuerzungen aus dem Rauch und trieben sie zurück. Sie warf den Teppich in seine Richtung, für den Fall, daß er ihn noch zu fassen bekommen und seine brennenden Kleider in ihm ersticken konnte, doch war ihr dabei schon klar, daß für ihn jede Hilfe zu spät kam. Dichter Rauch erfüllte den Raum, sie hielt sich den weiten Ärmel vor Mund und Nase und wich vor den schrecklichen Schreien zurück, die in ihren Ohren gellten. Und er hatte den Schlüssel bei sich! Es gab keine Hoffnung, ihn jetzt noch zu erreichen und den Schlüssel zu bergen. Der ganze Raum brannte, das ausgetrocknete Holz der Wände, der Fensterrahmen und des Bodens bekam lange, knisternde Sprünge, über die kleine, seltsam bläuliche Flammen hintanzten.
Emma beschirmte ihr Gesicht mit einem Arm, arbeitete sich zur Tür durch und hämmerte gegen die dicken Planken, schrie durch das wütende Brausen der Flammen um Hilfe. Sie glaubte irgendwo im Untergeschoß Rufe zu hören, aber aus der Ferne. Die Wandbehänge zu beiden Seiten der Tür waren bereits zu Asche verbrannt. Aber hier, wo die Hitze des Brandes noch nicht so stark gewesen war, hatte das Holz nicht gleich Feuer gefangen, und so blieb die Tür wenigstens für eine Weile passierbar. Ihre verbrannte Hand hatte sie vergessen und schlug damit so kräftig wie mit der anderen gegen die Tür. All diese anderen Menschenleben waren gewiß nicht mehr gefährdet. Niemand würde jemals den Brief lesen, der Ranulf von Chester nicht erreicht hatte. Selbst dieses furchtbare Leben, das mit ihr in diesen Raum eingeschlossen war, mußte bald ausgehaucht sein, denn seine Geräusche gingen in der Stimme des Feuers beinahe unter. Und dies war eine geschäftige, ganz von sich selbst in Anspruch genommene Stimme, nicht unähnlich dem vielstimmigen Gemurmel, das über dem Marktplatz hing. Aber auch sie hatte ein Leben zu verlieren. Sie war jung, zornig, entschlossen, wollte sich nicht dem scheinbar unabwendbaren Geschick überlassen. Wieder
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