Der Aufstand Auf Dem Jahrmarkt
gewütet, daß sie nach dem Einsturz des Dachstuhles bereits nachließ, doch würde es noch einige Tage dauern, bis die Glut erloschen wäre und man in der Asche nach Ivo Corbieres Überresten suchen konnte.
»Heb mich auf«, sagte Emma. »Laß mich sehen!«
Philip richtete sie behutsam auf, bis sie neben ihm im sauberen grünen Gras saß. Sie waren in einem Winkel des äußeren Hofes und hatten den Palisadenzaun im Rücken. Die Scheune und Stallungen dampften in der Spätnachmittagssonne von den Eimern voll Wasser, mit denen man sie überschüttet hatte. In der Nähe der Brandstätte war noch immer eine Eimerkette an der Arbeit, die vom Brunnen ausging. Es blieben genug Dächer, um Pferden, Vieh und Menschen Unterkunft zu geben, bis Besseres für sie gefunden werden konnte.
Sie hatten das Küchengerät, die Lagerräume im Erdgeschoß mochten Schaden davongetragen haben, waren aber nicht zerstört. Solange die warme Jahreszeit andauerte, war für Mensch und Tier gesorgt, und man mußte trachten, den gemauerten Teil des Hauses bis zum Winter wieder bewohnbar zu machen. Der ganze Schrecken hatte schließlich nur ein Menschenleben gefordert.
»Er ist tot«, sagte sie, den Blick unverwandt auf die rauchende Ruine gerichtet.
»Es gibt keine andere Möglichkeit«, sagte Cadfael.
»Und der andere?«
»Turstan Fowler? Er ist gefangen. Die Stadtwache hat ihn festgenommen. Ich glaube, er war es«, sagte Cadfael freundlich, »der Euren Onkel tötete.«
Sie hatte erwartet, daß er sich bei der Ankunft Beringars zu einem Pferd würde verholfen und das Weite gesucht haben, doch schließlich hatte er keinen Grund dazu gesehen. Niemand hatte ihn beschuldigt, als er von Shrewsbury abgereist war. Und alle Welt sollte es als gegeben ansehen, daß Emma getreulich nach Bristol geleitet worden war. Warum sollte sie es in Frage stellen? Warum hatte sie es in Frage gestellt? Sie hatte soviel zu lernen, wie sie zu erzählen hatte.
Doch dafür war später noch Zeit genug. Jetzt war Zeit für nichts als Leben und Frohlocken und Freude und Dankbarkeit - und vielleicht, allmählich und mit ungeübtem Vergnügen, Liebe. »Was wird aus ihm werden?« fragte sie.
»Er wird sicherlich alles sagen, was er weiß, und die Schuld dem zuschieben, welchem sie zukommt, seinem Herrn.« Cadfael bezweifelte gleichwohl, daß Turstan Fowler dem Galgen entgehen würde, und er konnte sich nicht schlüssig werden, ob er es ihr sagen sollte. Schließlich unterließ er es. Sie war in diesen Augenblicken zutiefst aufgewühlt von Gedanken an Leben und Tod und wünschte angesichts der Größe göttlicher Gnade, wie sie ihr zuteil geworden war, daß auch dem niedrigsten und schlimmsten Bösewicht Gnade erwiesen würde. Und das war gut. Gott verhüte, daß er auch nur ein Wort sagte, das diese Stimmung verderben würde.
»Ist dir kalt?« fragte Philip zärtlich, als er sie in seinem Arm frösteln fühlte.
»Nein«, sagte sie und hob den Kopf ein wenig in der Höhlung seiner Schulter, so daß ihre Stirn an seiner rußigen Wange ruhte. Er fühlte ihre weichen Lippen an seinem Hals, als sie lächelte, und war erfüllt von dem glücklichen Bewußtsein ihres Besitzes, der Gewißheit, daß niemand jemals imstande sein würde, sie ihm zu nehmen.
Hugh Beringar kam mit schleppenden Schritten durch das niedergetrampelte Gras herüber. Selbst seine stets ordentliche und saubere Kleidung war rußfleckig und roch verqualmt.
»Was getan werden kann, ist getan«, sagte er und wischte sich über das Gesicht. »Wir sollten das Mädchen besser nach Shrewsbury zurückbringen, hier gibt es keine Unterkunft. Ich lasse ein paar Wachsoldaten einstweilen hier, aber der geeignete Ort für Euch, mein Fräulein«, fuhr er mit einem etwas müden Lächeln zu Emma gewandt fort, »ist in einem bequemen Bett, nachdem Eure Hand sachkundig versorgt ist. Und ihr solltet nicht grübeln noch Euch vom Fleck rühren, bis Ihr wiederhergestellt seid. Bristol wird auf Euch warten müssen.
Wir werden Euch zu Aline ins Kloster bringen, dort werdet Ihr Euch wohl fühlen.«
»Nein«, sagte Philip mit ungewohnter Selbstsicherheit. »Ich bringe Emma zu meiner Mutter nach Shrewsbury.«
»Nun gut, das magst du tun«, stimmte Hugh zu. »Es ist kaum ein Stück weiter entfernt. Aber wir wollen Bruder Cadfael Zeit geben, die Salben und Arzneien zu suchen, die er zur Behandlung braucht, und Aline soll selbst sehen, daß Emma nicht allzu schwer zu Schaden gekommen ist. Und vergiß nicht, Freund, du schuldest
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