Der Auftrag des Aeltesten
Sklaven.«
Eragon konnte sich eines gewissen Verständnisses für Murtaghs Lage nicht erwehren. Mit todernster Stimme sagte er: »Dann lasst mich euch beide töten.«
»Uns töten! Warum sollten wir das zulassen?«
Eragon wählte seine Worte mit Bedacht: »Weil es euch von Galbatorix’ Fesseln befreien würde. Und weil es das Leben von hunderten, wenn nicht tausenden von Menschen retten würde. Ist das kein ehrenwerter Grund, um zu sterben?«
Murtagh schüttelte den Kopf. »Für dich vielleicht, aber für mich ist das Leben noch viel zu süß, um freiwillig daraus zu scheiden. Niemand liegt mir mehr am Herzen als Dorn oder ich selbst.«
Sosehr er es auch verabscheute - sosehr er die ganze Situation verabscheute -, Eragon wusste nun, was zu tun war. Mit einem neuerlichen Angriff auf Murtaghs Geist sprang er vorwärts und hechtete auf ihn zu, um ihm sein Schwert ins Herz zu rammen.
»Letta!«,
rief Murtagh.
Eragon schlug auf dem Boden auf, als sich ihm unsichtbare Fesseln um Arme und Beine legten und ihn bewegungsunfähig machten. Rechts von ihm stieß Saphira einen Feuerball aus und sprang auf Murtagh zu wie eine Katze, die nach einer Maus schnappt.
»Rïsa!«,
befahl Murtagh und streckte ihr eine klauenartige Hand entgegen, als wollte er sie fangen.
Saphira jaulte überrascht auf, als Murtaghs Zauber sie mitten in der Luft festhielt. Sosehr sie sich auch drehte und wand, sie konnte weder landen noch davonfliegen.
Wie kann er noch ein Mensch sein und doch über solche Kräfte verfügen?,
fragte sich Eragon.
Selbst mit meinen neuen Fähigkeiten würde mich ein solches Kunststück so schwächen, dass ich nicht mehr laufen könnte.
Er rief sich ins Gedächtnis, mit welchen Worten er Oromis’ Zauber begegnet war, und sagte:
»Brakka du Vanyalí sem huildar Saphira un eka!«
Murtagh versuchte nicht, ihn aufzuhalten, sondern starrte ihn nur stumpf an, als hielte er Eragons Widerstand für eine lästige Kinderei. Eragon fletschte die Zähne und verdoppelte seine Anstrengung. Seine Hände wurden kalt, seine Knochen schmerzten, und sein Puls verlangsamte sich, während die Magie seine Lebenskraft aufzehrte. Ohne dass er sie hätte darum bitten müssen, kam Saphira ihm zu Hilfe und verschaffte ihm Zugang zu den immensen Kraftreserven in ihrem Körper.
Fünf Sekunden verstrichen …
Zwanzig Sekunden …
Eine dicke Ader pulsierte an Murtaghs Hals.
Eine Minute …
Anderthalb Minuten... Unkontrollierte Zuckungen schüttelten Eragons Körper. Seine Leisten und Kniesehnen flatterten, und hätte er sich bewegen können, so wären ihm die Beine eingeknickt.
Zwei Minuten vergingen …
Schließlich musste Eragon die Magie lösen, da er sonst das Bewusstsein verloren hätte - und zwar endgültig. Völlig entkräftet sackte er in sich zusammen.
Er hatte schon vorher Angst gehabt, aber nur vor einem möglichen Versagen. Nun aber hatte er Angst, weil er nicht wusste, wozu Murtagh fähig war.
»Du kannst dich nicht mit mir messen, Eragon«, sagte Murtagh. »Keiner kann das, außer Galbatorix.« Er trat auf Eragon zu und drückte ihm die Schwertspitze an die Kehle. Eragon widerstand dem Impuls zurückzuzucken. »Es wäre einfach, dich nach Urû’baen zu bringen.«
Eragon schaute ihm tief in die Augen. »Tu das nicht! Lass mich gehen!«
»Du hast gerade versucht, mich umzubringen.«
»Das hättest du an meiner Stelle auch getan.« Als Murtagh nichts erwiderte, sagte Eragon: »Wir waren einmal Freunde. Wir haben gemeinsam gekämpft. Galbatorix kann deinen Geist nicht so sehr vergiftet haben, dass du das alles vergessen hast... Wenn du das tust, Murtagh, dann bist du für alle Zeiten verloren.«
Eine lange Minute verstrich. Blut sickerte aus der Stelle, wo die Schwertspitze ihm die Haut aufgeritzt hatte. Saphira peitschte in hilfloser Wut mit dem Schwanz hin und her.
Schließlich sagte Murtagh: »Ich sollte versuchen, dich zu fangen, so lautete mein Auftrag.« Er überlegte. »Nun, ich habe es versucht... Sieh zu, dass wir uns nie wieder über den Weg laufen! Galbatorix wird mich zusätzliche Schwüre in der alten Sprache ablegen lassen, die verhindern werden, dass du bei unserer nächsten Begegnung erneut ungeschoren davonkommst.« Er ließ das Schwert sinken.
»Du tust das Richtige«, sagte Eragon. Er versuchte, einen Schritt zurückzutreten, wurde aber noch immer festgehalten.
»Vielleicht. Aber bevor ich dich gehen lasse...« Murtagh nahm ihm Zar’roc aus der Hand und schnallte die Schwertscheide von
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