Der Auftrag des Aeltesten
konnte man kaum etwas erkennen, aber Eragon war sich sicher, dass die beiden kahlköpfigen Hexer sich ins Fäustchen lachten, während sie die Männer niedermetzelten, denen sie einst feierlich Freundschaft geschworen hatten. Was die Zwillinge allerdings nicht bemerkten, Eragon und Murtagh jedoch von ihrem erhöhten Standort aus deutlich sehen konnten, war, dass Roran sich von der Seite an die beiden Verräter heranpirschte.
Eragons Herz setzte einen Schlag aus, als er seinen Cousin erkannte.
Was tust du da? Halt dich von ihnen fern! Sie werden dich umbringen!
Gerade als Eragon zu einer Zauberformel ansetzte, die Roran aus der Gefahrenzone herauskatapultieren würde, egal um welchen Preis, sagte Murtagh: »Warte! Ich will sehen, was er anstellt.«
»Warum?«
Ein verbittertes Lächeln huschte über Murtaghs Gesicht. »Die Zwillinge haben mich bestialisch gefoltert, als ich ihr Gefangener war.«
Eragon musterte ihn argwöhnisch. »Und du wirst ihm nichts tun? Du wirst die Zwillinge nicht warnen?«
»Vel Eïnradhin iet ai Shur’tugal.« Mein Wort als Drachenreiter.
Sie beobachteten gemeinsam, wie Roran sich hinter einem Leichenberg verschanzte. Eragon hielt die Luft an, als die Zwillinge in diese Richtung blickten. Einen Moment lang schien es, als hätten sie ihn gesehen, aber dann wandten sie sich wieder um und Roran sprang auf. Er ließ seinen Hammer herabsausen und schlug einem der beiden den Schädel ein. Der andere stolperte über seinen Gefährten, krümmte sich und stieß einen wortlosen Schrei aus, als auch er unter Rorans Hammer zusammenbrach. Dann stellte Roran einen Fuß auf die beiden toten Gegner, schwenkte den Hammer über dem Kopf und stieß ein gellendes Triumphgeheul aus.
»Und was nun?«, fragte Eragon und wandte sich vom Schlachtfeld ab. »Wirst du mich umbringen?«
»Natürlich nicht. Galbatorix will dich lebend.«
»Wozu?«
Murtagh verzog die Lippen. »Das weißt du nicht? Ha! Das ist ein guter Witz! Es geht nicht um dich, es geht um
sie!«
Er deutete auf Saphira. »Der Drache in Galbatorix’ letztem Ei, dem letzten Drachenei auf der Welt, ist männlich. Saphira ist der einzige weibliche Drache, den es gibt. Wenn sie Nachwuchs bekommt, wird sie die Urmutter einer neuen Generation sein. Begreifst du es jetzt? Galbatorix will die Drachen nicht ausrotten. Er will Saphira dazu benutzen, die Drachenreiter wieder auferstehen zu lassen. Er kann euch nicht töten, keinen von euch beiden, wenn er will, dass seine Vision wahr wird... Und was das für eine Vision ist, Eragon! Du solltest ihn hören, wenn er darüber redet, dann würdest du nicht so schlecht über ihn denken. Ist es denn so schlimm, dass er Alagaësia unter einem einzigen Banner vereinen möchte, dass er den Grund für Kriege ausräumen und den Drachenreitern zu neuem Ruhm verhelfen will?«
»
Er
war doch derjenige, der sie alle erst umgebracht hat!«
»Aus gutem Grund«, sagte Murtagh. »Sie waren alt und fett und unzuverlässig. Die Elfen haben sie beherrscht und dazu benutzt, die Menschen zu unterwerfen. Man musste sie entfernen, damit wir noch einmal von vorn anfangen konnten.«
Ein zorniges Funkeln verzerrte Eragons Gesicht. Er marschierte schwer atmend auf dem Plateau hin und her, dann deutete er auf das Schlachtfeld und sagte: »Wie kannst du nur all dieses Leid mit dem Gerede eines Wahnsinnigen rechtfertigen? Galbatorix hat nichts anderes getan, als Tod und Verderben zu bringen und immer mehr Macht an sich zu reißen. Er lügt. Er mordet. Er manipuliert. Das weißt du doch genau! Deshalb hast du es doch abgelehnt, für ihn zu arbeiten.« Eragon machte eine Pause und schlug dann einen sanfteren Ton an: »Ich verstehe ja, dass du gegen deinen Willen handelst und dass du für Hrothgars Tod nicht verantwortlich bist. Aber du könntest versuchen zu fliehen. Ich bin mir sicher, Arya und ich könnten die Zauberfesseln entfernen, die Galbatorix dir angelegt hat... Schließ dich mir an, Murtagh! Du könntest so viel für die Varden tun. Wenn du auf unserer Seite stündest, würde man dich lobpreisen und bewundern, anstatt dich zu verfluchen, zu fürchten und zu hassen.«
Als Murtagh auf sein Schwert hinabstarrte, hoffte Eragon einen Moment lang, dass er das Angebot annehmen würde. Doch dann sagte Murtagh mit leiser Stimme: »Du kannst mir nicht helfen, Eragon. Niemand außer Galbatorix kann uns von unserem Schwur befreien, und das wird er nie tun... Er kennt unsere wahren Namen, Eragon... Wir sind für alle Zeiten seine
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