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Der Auftrag oder vom Beobachten des Beobachters der Beobachter

Der Auftrag oder vom Beobachten des Beobachters der Beobachter

Titel: Der Auftrag oder vom Beobachten des Beobachters der Beobachter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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Behandlung, ihn die Treppe hinunterpoltern und kurz darauf den Landrover davonfahren hörte, offenbar nach M. zurück, mißmutig schaute sie sich um, von der Decke hing ebenfalls eine Glühbirne, im Bad funktionierte die Dusche nicht, die Tapete hing in Fetzen von der Mauer und das einzige Mobiliar bildeten ein wackliger Stuhl und ein Feldbett, das freilich frisch bezogen war, und immer wieder schlug unten die Haustüre auf und zu und noch im Schlaf hörte sie die Türe.

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    Es war schon Mittag als sie erwachte, vielleicht weil die Türe jetzt nicht mehr auf und zu schlug, vom Fenster aus, das so verschmutzt war, daß der Tag kaum durchschimmerte, erblickte sie ein steiniges, von Buschgestrüpp überwuchertes und von Schluchten durchzogenes Gelände, hinter dem sich jäh ein steiler Bergrücken erhob, in dessen Eishängen und Schrunden sich eine Wolke verfangen hatte, die den Gipfel verhüllte und im Sonnenlicht zu kochen schien, eine öde Gegend, die sie 38

    fragen ließ, wozu das Hotel, wohin sie geführt worden war und das offensichtlich keines mehr war, einst gedient habe und jetzt diene, eine Holztreppe hinuntergehend, in den roten Pelzmantel gehüllt, da es bitter kalt war, fand sie niemanden, sie rief, in der Halle, mehr ein schäbiges Zimmer, war niemand, auch in der Küche niemand, bis plötzlich eine alte Frau aus einem Nebenraum schlurfend in der Türe zur Halle stehenblieb, die F.
    entgeistert anstarrte, um endlich auf französisch »ihr Mantel, ihr Mantel« hervorzubringen, »ihr Mantel«, dabei zitternd auf den roten Pelzmantel zeigend, »ihr Mantel« plappernd, immer wieder, so offensichtlich durcheinander, daß sie, als die F. auf sie zuging, zurückwich in den Nebenraum, der offenbar einmal als Speisezimmer gedient hatte, und mit dem Rücken zur Wand, hinter dem Eßtisch und einigen alten Stühlen ver-schanzt, die F. angstvoll erwartete, die jedoch, um die alte Frau zu beruhigen, keine Anstalten mehr machte, auf sie zuzugehen, sondern in diesem trostlosen Zimmer stehenblieb, dessen einziger Schmuck ein großes gerahmtes Bild eines französischen Generals war, stark vergilbt, offenbar Marschall Lyautey, und auf französisch fragte, ob sie frühstücken könne, was die Alte mit einem heftigen Nicken bejahte, auf die F. zuging, sie bei der Hand nahm und auf eine Terrasse zog, wo sich an der Hausmauer unter einer einmal orangenen zerrissenen Markise ein gedeckter Holztisch befand, auch das Frühstück war schon vorbereitet, denn die Alte trug es herein, kaum hatte sich die F. gesetzt, war jedoch von ihrem Zimmer aus nur ein Schluchten-, Busch- und Steindurcheinander zu sehen gewesen mit dem kochenden Bergrücken dahinter, so blickte nun die F.
    einen sanften noch grünen Hügel hinunter, an den weitere, immer niedrigere Hügel brandeten, sich aneinander brechend, bis weit unten es weißgelb hinaufschimmerte, die große Sandwüste, auch glaubte sie am Ende des Sichtbaren etwas Schwarzes zu ahnen, die Al-Hakim-Ruine, der Wind war frisch, die F.
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    war froh sich in den roten Pelzmantel schmiegen zu können, den die Alte immer wieder beäugte, auch mit der Hand zaghaft über ihn fuhr, fast zärtlich, neben der frühstückenden F. ver-weilend, als müsse sie diese bewachen, aber zusammenzuckte, als die Frühstückende unvermittelt fragte, ob sie Tina von Lambert gekannt habe, eine Frage, welche die Alte aufs neue zu verwirren schien, indem sie immer wieder »Tina« stammelte, »Tina, Tina«, auf den Mantel wies, dann fragte, ob die F.
    eine Freundin sei und als diese bejahte, sich vor Aufregung in ihren Sätzen verhaspelnd berichtete, soweit es die F. zu verstehen vermochte, Tina sei mit einem gemieteten Auto allein hierhergekommen, wobei sie das »allein« mehrmals wiederhol-te, auch etwas Unverständliches über das gemietete Auto hervorstammelte, sie habe ein Zimmer für drei Monate gemietet und die Gegend durchstreift und sei bis zur großen Sandwü-
    ste vorgedrungen, ja bis zum schwarzen Stein, womit sie offenbar die Ruine meinte, doch plötzlich nicht mehr zurückgekehrt, aber sie, die Alte, wisse, aber was die Alte wußte war unverständlich, sosehr die F. sich auch bemühte, hinter den Sinn der angefangenen, sich wiederholenden und abgebroche-nen Sätze zu kommen, die Alte schwieg vielmehr plötzlich, wurde mißtrauisch, starrte wieder auf den roten Pelzmantel, wobei die F. spürte, die ihr Frühstück beendet hatte, daß die Alte etwas fragen wollte, aber nicht zu fragen wagte, weshalb die F.

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