Der Auftraggeber
rauchte eine Zigarette nach der anderen und verfolgte die Berichterstattung von CNN im ersten Fernseher, der BBC im zweiten und des französischen Staatsfernsehens im dritten. Was die Korrespondenten sagten, kümmerte ihn nicht besonders - sie wußten zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch so gut wie nichts, und Schamron war sich darüber im klaren, daß er die Berichterstattung mit einem einzigen fünfminütigen Telefongespräch hätte beeinflussen können. Er wollte hören, was die Zeugen berichteten, die das Attentat mit eigenen Augen gesehen hatten. Sie würden ihm sagen, was er wissen wollte.
Eine junge Deutsche, die von CNN interviewt wurde, schilderte den Verkehrsunfall, der dem Attentat vorausgegangen war. »Es waren zwei Fahrzeuge, ein Kleinbus und eine Limousine. Vielleicht ein Peugeot, aber das weiß ich nicht sicher. Der Verkehr auf der Brücke ist binnen Sekunden zum Stehen gekommen.«
Schamron benutzte die Fernbedienung, um den CNN-Ton leiser zu stellen und die BBC zu Wort kommen zu lassen. Ein Taxifahrer von der Elfenbeinküste beschrieb den Attentäter: schwarzhaarig, gutgekleidet, gutaussehend, cool. Als der Unfall passierte, hatte der Killer mit einem Mädchen auf der Brücke gestanden: »Blond gefärbt, ein bißchen stämmig, Ausländerin, bestimmt keine Französin.«
Aber sonst hatte der Taxifahrer nichts gesehen, denn als die Sprengladung detonierte, war er unter seinem Armaturenbrett in Deckung gegangen und hatte erst wieder aufgesehen, als längst keine Schüsse mehr fielen.
Schamron zog ein Notizbuch mit abgewetzter Lederhülle aus seiner Hemdtasche, legte es sorgfältig auf den Schreibtisch und schlug eine leere Seite auf. In seiner kleinen, präzisen Schrift notierte er sich ein einziges Wort. Mädchen .
Danach konzentrierte er sich wieder auf die Fernseher. Eine attraktive junge Engländerin namens Beatrice erzählte dem BBC-Korrespondenten das Attentat. Sie berichtete von dem Unfall, bei dem ein Kleinbus auf einen anderen Wagen aufgefahren war, so daß der Verkehr sofort stand und die Limousine des Botschafters im Stau eingekeilt gewesen war. Sie schilderte, wie der Attentäter seine Freundin stehengelassen und eine Maschinenpistole aus seinem Rucksack gezogen hatte. Wie er dann den Rucksack unter die Limousine geworfen und die Detonation abgewartet hatte, bevor er ruhig an den Wagen getreten war und alle Insassen erschossen hatte.
Als nächstes erzählte Beatrice, daß der Killer langsam auf das Mädchen zugegangen war - auf die junge Frau, die er eben noch scheinbar leidenschaftlich geküßt hatte - und sie mit einem kurzen Feuerstoß erledigt hatte.
Schamron leckte seine Bleistiftspitze an und schrieb unter das Wort MÄDCHEN einen Namen:
TARIQ.
Schamron nahm den Hörer seines abhörsicheren Telefons ab und rief Uzi Navot an, seinen Stationsleiter in Paris. »Sie haben jemanden bei diesem Empfang gehabt. Jemand hat dem draußen wartenden Team gemeldet, daß der Botschafter abfährt. Sie haben seine Fahrtroute gekannt. Sie haben den Unfall gebaut, damit die Limousine im Stau steckenbleibt.«
Navot stimmte zu. Navot hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, Schamron zuzustimmen.
»In diesem Museum hängen unzählige sehr wertvolle Gemälde«, fuhr Schamron fort. »Ich würde annehmen, daß es dort ein hochmodernes Video-Überwachungssystem gibt, glauben Sie nicht auch, Uzi?«
»Natürlich, Boß.«
»Sie sagen unseren Freunden im französischen Dienst, daß wir sofort ein Team nach Paris entsenden möchten, das die Ermittlungen beobachtet und nötigenfalls unterstützt. Und dann beschaffen Sie sich die Überwachungsbänder und schicken sie mir als Diplomatengepäck.«
»Wird gemacht.«
»Was ist mit der Brücke? Gibt es Überwachungskameras der Polizei, die sie erfassen? Mit etwas Glück haben sie das gesamte Attentat aufgenommen - sogar die Vorbereitungen.«
»Ich kümmere mich darum.«
»Wieviel ist von der Limousine übrig?«
»Leider nicht viel. Der Tank ist explodiert, und in dem Feuer sind auch die Leichen bis zur Unkenntlichkeit verbrannt.«
»Wie ist der Attentäter geflüchtet?«
»Er ist bei einem Motorradfahrer aufgestiegen. Sekunden später war er weg.«
»Irgendeine Spur von ihm?«
»Nichts, Boß.«
»Sonstige Hinweise?«
»Falls es welche gibt, behält die Pariser Polizei sie für sich.«
»Was ist mit den übrigen Attentätern?«
»Auch spurlos abgetaucht. Sie waren gut, Boß. Verdammt gut.«
»Wer war die ermordete junge Frau?«
»Eine
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