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Der aufziehende Sturm

Der aufziehende Sturm

Titel: Der aufziehende Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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innen heraus zu einen.
    Elaida war die einzige Rote Schwester am Tisch. Lag das daran, dass sämtliche Rote Sitzende die Burg verlassen hatten? Vielleicht war sie auch einfach nur der Ansicht, dass das Gleichgewicht auch so hergestellt war, da sie sich noch immer als Rote betrachtete, auch wenn es nicht richtig war.
    Der Tisch war lang; Kristallpokale reflektierten das Licht von den Bronzekandelabern an der Wand. Jede Frau trug ein kostbares Gewand in der Farbe ihrer Ajah. Es roch nach saftigem Braten und dampfenden Karotten. Es wurde geplaudert. Freundschaftlich, wenn auch gezwungen. Angespannt. Keiner wollte hier sein.
    Doesine nickte Egwene quer durch das Zimmer zu, beinahe respektvoll. Das war ein deutlicher Hinweis. »Ich bin hier, weil Ihr sagtet, dass diese Art Dinge wichtig sind«, schien es zu besagen. Elaida saß am Kopf der Tafel. Ihr rotes Gewand wies lange Ärmel auf, die genau wie das Oberteil mit granatapfelrotem Besatz geschmückt waren. Sie lächelte zufrieden. Diener eilten hin und her, gossen Wein ein und brachten Speisen. Warum hatte Elaida die Sitzenden zum Essen eingeladen? War das ein Versuch, die Zerwürfnisse in der Burg überwinden zu wollen? Hatte Egwene sie falsch eingeschätzt?
    »Ah, gut«, sagte Elaida, als sie Egwene bemerkte. »Ihr seid endlich da. Kommt her, Kind.«
    Egwene gehorchte, und als sie den Raum durchquerte, wurden auch die letzten Sitzenden auf sie aufmerksam. Einige schien ihre Anwesenheit zu verwirren, andere waren neugierig. Schlagartig wurde ihr etwas klar.
    Dieser eine Abend konnte mühelos alles zerstören, wofür sie gearbeitet hatte.
    Wenn die Aes Sedai hier miterlebten, wie sie Elaida unterwürfig bediente, würde sie in ihren Augen an Integrität verlieren. Die Amyrlin hatte verkündet, dass sie gezähmt worden war - aber sie hatte allen das Gegenteil bewiesen. Wenn sie sich hier ihrem Willen beugte, auch nur ein kleines bisschen, würde man das als Beweis ansehen.
    Sollte das Licht diese Frau verbrennen! Warum hatte sie so viele der Schwestern eingeladen, die Egwene zu beeinflussen versucht hatte? War das bloß ein Zufall?
    Egwene gesellte sich zu der falschen Amyrlin am Kopf der Tafel, und ein Diener reichte ihr eine Kristallkaraffe mit funkelndem roten Wein. »Ihr werdet meinen Pokal gefüllt halten«, sagte Elaida. »Wartet dort, aber kommt nicht zu nah. Ich habe keine Lust, den Ruß von Eurer nachmittäglichen Bestrafung riechen zu müssen.«
    Egwene biss sich auf die Zunge. Den Ruß riechen? Nach einer Stunde schrubben? Wohl kaum. Von der Seite konnte sie die Zufriedenheit in Elaidas Blick erkennen, als sie von ihrem Wein trank. Dann wandte sich die Amyrlin Shevan zu, die rechts von ihr saß. Die Braune war eine schmächtige Frau mit knorrigen Armen und einem kantigen Gesicht, wie eine aus Stöcken zusammengebundene Frau. In ihren Augen lag ein nachdenklicher Ausdruck, als sie ihre Gastgeberin musterte.
    »Sagt mir, Shevan«, meinte Elaida. »Beharrt Ihr noch immer auf diesen albernen Gesprächen mit den Rebellen?«
    »Man muss diesen Schwestern Gelegenheit zur Schlichtung geben.«
    »Sie hatten ihre Gelegenheit«, erwiderte Elaida. »Ehrlich, ich hätte mehr von einer Braunen erwartet. Ihr benehmt euch verbissen, ohne auch nur mit einem Hauch von Verständnis, wie die wirkliche Welt funktioniert. Selbst Meidani ist da meiner Meinung, und sie ist eine Graue! Ihr wisst, wie sie sind.«
    Shevan wandte den Kopf, anscheinend beunruhigter als zuvor. Warum hatte Elaida sie eingeladen, wenn sie sie und ihre Ajahs doch nur beleidigen wollte? Als Nächstes wandte die Rote ihre Aufmerksamkeit Ferane zu und beschwerte sich bei ihr über eine Sitzende der Weißen, die sich ebenfalls ihren Bemühungen widersetzte, die Gespräche zu beenden. Dabei hob sie den Pokal in Egwenes Richtung und klopfte mit dem Finger dagegen. Sie hatte kaum einen Schluck genommen.
    Egwene holte tief Luft und schenkte nach. Die anderen hatten sie auch schon zuvor bei der Arbeit gesehen - für Ferane hatte sie sogar Walnüsse geknackt. Das würde ihren Ruf schon nicht ruinieren, nicht, solange Elaida sie irgendwie zwang, sich zu erniedrigen.
    Aber was sollte diese Abendgesellschaft? Elaida schien nicht den geringsten Versuch zu unternehmen, die Ajahs einander näherzubringen. Wenn überhaupt, vergrößerte sie die Kluft noch, so wie sie jene heruntermachte, die nicht ihrer Meinung waren. Gelegentlich ließ sie sich von Egwene nachschenken, aber es war nie mehr Platz als für einen oder zwei

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