Der aufziehende Sturm
beharrt, dass ich es doch tue, erniedrigt Ihr Euch in ihren Augen. Selbst wenn Ihr meinem Traum keinen Glauben schenkt, müsst Ihr doch zugeben, dass die Seanchaner eine Bedrohung sind. Sie leinen Frauen an, die die Macht lenken können, benutzen sie mit einem verdrehten Ter'angreal als Waffen. Ich habe den Kragen an meinem Hals gespürt. Manchmal fühle ich ihn noch immer. In meinen Träumen. Meinen Albträumen.«
Stille kehrte in den Raum ein.
»Ihr seid ein albernes Kind«, sagte Elaida in dem offensichtlichen Versuch vorzugeben, dass Egwene keine Bedrohung darstellte. Sie hätte lieber die Blicke der anderen studieren sollen. Dann hätte sie die Wahrheit erkannt. »Nun, Ihr zwingt mich dazu. Ihr werdet vor mir niederknien, Kind, und um Vergebung bitten. Sofort. Sonst lasse ich Euch einsperren. Allein. Ist es das, was Ihr wollt? Glaubt aber ja nicht, dass die Prügelstrafen dann aufhören. Ihr werdet Eure tägliche Buße ableisten, nur dass man Euch danach wieder in Eure Zelle wirft. Und jetzt kniet nieder und bittet um Vergebung.«
Die Sitzenden sahen einander an. Jetzt gab es kein Zurückweichen mehr. Egwene wünschte sich, es wäre nie so weit gekommen. Aber das war es nun einmal, und Elaida hatte den Kampf gewollt.
Es war Zeit, ihn ihr zu geben. »Und wenn ich mich Euch nicht beuge?«, fragte sie und erwiderte ihren Blick. »Was dann?«
»Ihr werdet knien, auf die eine oder andere Weise«, knurrte Elaida und umarmte die Quelle.
»Ihr wollt die Macht gegen mich einsetzen?«, fragte Egwene beherrscht. »Müsst Ihr darin Zuflucht suchen? Habt Ihr keine Autorität, ohne die Macht zu lenken?«
Elaida hielt inne. »Ich habe durchaus das Recht, jemanden zu disziplinieren, der nicht den nötigen Respekt zeigt.«
»Und so werdet Ihr mich zum Gehorsam zwingen. Wollt Ihr das mit jedem in der Burg machen, Elaida? Eine Ajah stellt sich Euch entgegen und wird aufgelöst. Eine Schwester erregt Euer Missfallen, und Ihr wollt ihr das Recht nehmen, Aes Sedai zu sein. Bevor das sein Ende findet, werdet Ihr jede Schwester dazu zwingen, sich Euch zu beugen.«
»Unsinn!«
»Ach ja? Habt Ihr ihnen denn schon von Eurer Idee mit dem neuen Eid erzählt? Von jeder Schwester auf den Eidstab geschworen, ein Eid, der Amyrlin zu gehorchen und sie zu unterstützen?«
»Ich ...!«
»Bestreitet das. Bestreitet, dass Ihr das gesagt habt. Lassen die Eide zu, dass Ihr das tut?«
Elaida erstarrte. Gehörte sie zu den Schwarzen, dann konnte sie es abstreiten, ob sie nun auf den Eidstab geschworen hatte oder nicht. In jedem Fall konnte Meidani bestätigen, was Egwene gerade gesagt hatte.
»Das war nur so dahergesagt«, entgegnete Elaida. »Reine Spekulation, laut ausgesprochene Gedanken.«
»In Spekulation liegt oft Wahrheit. Ihr habt den Wiedergeborenen Drachen in eine Kiste gesperrt; soeben habt Ihr mir das Gleiche angedroht, vor all diesen Zeuginnen. Das Volk nennt ihn einen Tyrannen, aber Ihr seid diejenige, die unsere Gesetze missachtet und durch Angst herrscht.«
Elaida riss die Augen weit auf, ließ ihren Zorn erkennen. Sie erschien ... ungläubig. So als könnte sie einfach nicht begreifen, wieso aus der Disziplinierung einer störrischen Novizin die Debatte mit einer Gleichgestellten geworden war. Egwene sah, wie sie anfing, einen Strom Luft zu weben. Das musste verhindert werden. Ein Knebel aus Luft würde dieser Debatte ein Ende bereiten.
»Macht schon«, sagte sie ruhig. »Bringt mich mit der Macht zum Schweigen. Solltet Ihr als Amyrlin nicht dazu fähig sein, einen Kontrahenten mit Worten zum Gehorsam zu bewegen, statt auf Gewalt zurückzugreifen?«
Aus dem Augenwinkel sah sie, wie die zierliche Yukiri von den Grauen bei dieser Bemerkung nickte.
Wütend ließ Elaida den Strom Luft fallen. »Ich muss keine Novizin widerlegen«, fauchte sie. »Die Amyrlin erklärt sich nicht vor einer wie Euch.«
»›Die Amyrlin versteht die kompliziertesten Bekenntnisse und Debatten‹«, zitierte Egwene aus der Erinnerung. »›Und doch ist sie am Ende die Dienerin von allen, selbst des niedrigsten aller Arbeiter.‹« Das hatte Balladare Arandaille gesagt, die erste Amyrlin, die man aus der Braunen Ajah erhoben hatte. Sie hatte das in ihren letzten Aufzeichnungen vor ihrem Tod niedergeschrieben; diese Aufzeichnungen waren eine Erklärung für ihre Herrschaft und ihre Taten während der Kavarthenkriege gewesen. Arandaille war der Ansicht gewesen, dass eine Amyrlin nach dem Ende einer Krise die moralische Verpflichtung hatte, sich
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