Der aufziehende Sturm
meinte Gawyn. »Sie versteckte sich unter den Wäscherinnen.« Als er jetzt darüber nachdachte, wurde ihm klar, dass sie durchaus eine Spionin der Loyalisten sein konnte.
Brynes Stirnrunzeln vertiefte sich. Vielleicht hatte er den gleichen Gedanken. »Zeigt sie mir«, sagte er und ging zum Eingang. Er stieß die Plane zur Seite und trat hinaus in das Morgenlicht. Gawyn folgte ihm.
»Ihr habt nicht erklärt, was Ihr hier eigentlich macht, Gawyn«, sagte Bryne, als sie durch das ordentliche Lager gingen und die Soldaten ihrem General salutierten.
»Das habe ich Euch gesagt«, erwiderte Gawyn, dessen Hand ruhig auf dem Schwertknauf ruhte. »Ich werde eine Möglichkeit finden, Egwene aus dieser Todesfalle herauszuschaffen.«
»Ich meinte nicht, was Ihr in meinem Lager macht. Ich meinte, warum Ihr überhaupt in der Gegend seid. Warum seid Ihr nicht in Caemlyn und helft Eurer Schwester?«
»Ihr habt von Elayne gehört?«, sagte Gawyn und blieb stehen. Beim Licht! Er hätte früher fragen sollen. Er war wirklich müde. »Ich hörte, sie sei in Eurem Lager gewesen. Sie ist zurück nach Caemlyn gereist? Ist sie in Sicherheit?«
»Sie ist schon lange nicht mehr bei uns. Aber es scheint ihr gut zu gehen.« Er blieb ebenfalls stehen und sah Gawyn an. »Ihr meint, Ihr wisst es nicht?«
»Was denn?«
»Nun, Gerüchte sind unzuverlässig«, sagte der General. »Aber ich habe sie mir von den Aes Sedai bestätigen lassen, die nach Caemlyn Gereist sind, um dort Neuigkeiten zu erfahren. Eure Schwester hält den Löwenthron. Anscheinend hat sie den größten Teil des Schlamassels wieder gerichtet, den Eure Mutter ihr hinterließ.«
Gawyn holte tief Luft. Dem Licht sei Dank, dachte er und schloss die Augen. Elayne lebte. Elayne saß auf dem Thron. Er öffnete die Augen, und der bewölkte Himmel erschien irgendwie etwas heller. Er setzte sich wieder in Bewegung, und Bryne ging neben ihm her.
»Ihr habt es wirklich nicht gewusst. Wo seid Ihr denn gewesen, mein Junge? Ihr seid jetzt der Erste Prinz des Schwertes, oder werdet es zumindest nach Eurer Rückkehr nach Caemlyn sein. Euer Platz ist an der Seite Eurer Schwester.«
»Egwene kommt zuerst.«
»Ihr habt einen Eid geleistet«, sagte Bryne streng. »Vor mir. Habt Ihr das vergessen?«
»Nein. Aber wenn Elayne auf dem Thron sitzt, dann ist sie im Moment sicher. Ich werde Egwene finden und sie nach Caemlyn zurückschleifen, wo ich sie im Auge behalten kann. Wo ich sie beide im Auge behalten kann.«
Bryne schnaubte. »Dabei würde ich zu gern zuschauen«, meinte er. »Aber egal, warum wart ihr nicht da, als Elayne versuchte, den Thron zu erringen? Was habt Ihr denn getan, das so viel wichtiger war?«
»Ich ... wurde da in etwas verwickelt«, sagte Gawyn und schaute starr nach vorn.
»In etwas verwickelt?«, fragte Bryne. »Ihr wart in der Weißen Burg, als das alles ...« Er verstummte. Einen Moment gingen sie schweigend nebeneinander her.
»Wo habt Ihr die Schwestern über Egwenes Gefangennahme sprechen hören?«, fragte Bryne. »Woher könnt Ihr wissen, dass man sie bestraft?«
Gawyn schwieg.
»Blut und verdammte Asche!«, rief Bryne aus. Der General fluchte nur selten. »Ich wusste doch, dass derjenige, der diese Stoßtrupps gegen mich anführte, viel zu gut informiert war. Und ich suche bei meinen Offizieren nach einem Leck!«
»Das spielt jetzt keine Rolle mehr.«
»Das entscheide ich«, sagte Bryne. »Ihr habt meine Männer getötet. Angriffe gegen mich geführt!«
»Angriffe gegen die Rebellen geführt«, erwiderte Gawyn und schenkte Bryne einen harten Blick. »Ihr dürft mich dafür verantwortlich machen, dass ich mir den Weg in Euer Lager ertrotzt habe, aber erwartet Ihr ernsthaft, dass ich mich schuldig fühle, weil ich der Weißen Burg gegen die Streitmacht geholfen habe, die sie belagert?«
Bryne verstummte. Dann nickte er knapp. »Also gut. Aber das macht Euch zu einem feindlichen Befehlshaber.«
»Das ist vorbei. Ich habe den Befehl abgegeben.«
»Aber ...«
»Ich habe ihnen geholfen. Jetzt nicht mehr. Nichts von dem, was ich hier sehe, wird den Weg zu Euren Feinden finden, Bryne. Das schwöre ich beim Licht.«
Darauf gab Bryne nicht sofort eine Antwort. Sie kamen an Zelten vorbei, die vermutlich den höheren Offizieren gehörten, näherten sich der Palisade. »Also gut«, sagte der General dann. »Ich vertraue darauf, dass Ihr Euch nicht genug geändert habt, um Euer Wort zu brechen.«
»Ich würde mich nicht gegen diesen Eid wenden«, sagte Gawyn
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