Der aufziehende Sturm
Finger, »werdet Ihr mir einen erneuten Besuch abstatten, weil Ihr Euch respektlos gegenüber dem Amyrlin-Sitz gezeigt habt. Ihr habt nicht das Recht, sie einfach nur ›Elaida‹ zu nennen, Kind.« Sie wandte sich wieder ihrem Buch zu und fügte hinzu: »Außerdem weiß allein das Licht, welchen Ärger ihr heute Abend bekommen werdet.«
Als Egwene den kleinen Raum hinter sich ließ und den breiten Korridor mit den grünen und roten Bodenfliesen betrat, dachte sie über diese letzte Bemerkung nach. Vielleicht war es doch keine Überraschung gewesen, die Silviana gezeigt hatte, als sie von ihrem Besuch bei Elaida gehört hatte. Vielleicht war es einfach nur Mitgefühl gewesen. Elaida würde nicht erfreut reagieren, wenn sie sich ihr auf die gleiche Weise widersetzte wie allen anderen in der Burg.
Hatte Silviana darum entschieden, sie nach dem Essen noch einmal für eine letzte Bestrafung antreten zu lassen? Aufgrund ihrer Befehle würde sie essen müssen, bevor sie sich ihre Strafe abholte, selbst wenn Elaida sie mit neuen Strafen förmlich eindeckte.
Es war eine kleine Freundlichkeit, aber Egwene war dankbar dafür. Die täglichen Prügel zu ertragen war schwer genug, auch ohne Mahlzeiten auslassen zu müssen.
Während sie darüber nachdachte, traten zwei Rote Schwestern - Katerine und Barasine - auf sie zu. Katerine hielt einen Messingbecher. Eine weitere Dosis Spaltwurzeltee. Anscheinend wollte Elaida sichergehen, dass sie während der Mahlzeit nicht einmal ein paar Tropfen der Macht lenken konnte. Sie nahm den Becher ohne jeden Protest entgegen und leerte ihn mit einem einzigen Schluck, schmeckte den leichten, aber charakteristischen Geschmack von Minze. Sie gab den Becher Katerine zurück, und der Frau blieb keine andere Wahl, als ihn zu nehmen. Fast so, als wäre sie die königliche Becherträgerin.
Egwene begab sich nicht sofort zu Elaidas Gemächern. Die überlange Strafsitzung, die in die Essenszeit gereicht hatte, hatte ihr ironischerweise ein paar Augenblicke der Freizeit beschert - und sie wollte nicht zu früh eintreffen, denn damit würde sie Elaida nur Ehrerbietung zeigen. Stattdessen lungerte sie zusammen mit Katerine und Barasine vor der Tür der Oberin der Novizinnen herum. Würde eine bestimmte Person zu einem Besuch des Arbeitszimmers erscheinen?
In der Ferne schritten kleinen Gruppen von Schwestern über die roten und grünen Fliesen. Ihren Augen haftete ein lauernder Ausdruck an, wie Hasen, die sich auf eine Lichtung wagten, um an Blättern zu nagen, und doch das Raubtier fürchteten, das sich in den Schatten verbarg. Die Schwestern trugen im Moment ständig ihre Stolen, und sie gingen niemals allein. Manche hielten sogar die Macht, als hätten sie Angst, hier in der Weißen Burg von Schurken angegriffen zu werden.
»Gefällt euch das?«, fragte Egwene unwillkürlich. Sie sah Katerine und Barasine an; beide hatten zufällig zu der Gruppe gehört, die sie gefangen genommen hatte.
»Was war das, Kind?«, fragte Katerine kühl. »Ihr sprecht eine Schwester an, ohne dass man Euch zuvor eine Frage gestellt hat? Seid Ihr so wild auf die nächste Bestrafung?« Sie trug verdächtig viel Rot, ihr Kleid wies ein grelles Scharlachrot mit schwarzen Schlitzen auf. Ihr dunkles Haar strömte leicht gelockt auf ihren Rücken hinunter.
Egwene ignorierte die Drohung. Was konnten sie ihr schon noch antun? »Vergesst einmal für einen Moment dieses Gezänk, Katerine«, sagte sie und beobachtete eine passierende Gruppe von Gelben, deren Schritte sich beim Anblick der Roten beschleunigten. »Vergesst das Getue um Autorität und die Drohungen. Vergesst diese Dinge und seht Euch um. Seid Ihr stolz darauf? Die Burg hat Jahrhunderte verbracht, ohne dass eine Amyrlin aus den Roten erhoben wurde. Und jetzt, da ihr endlich die Gelegenheit dazu hattet, hat eure erwählte Anführerin das hier der Burg angetan. Frauen, die die Blicke jener meiden, die sie nicht näher kennen, Schwestern, die sich nur noch in Gruppen bewegen. Die Ajahs verhalten sich, als würden sie gegeneinander Krieg führen!«
Die Bemerkung ließ Katerine schnauben, aber die schmächtige Barasine zögerte und schaute der Gruppe aus Gelben, die den Korridor entlang eilten, über der Schulter nach, was mehrere von ihnen veranlasste, den beiden Roten ihrerseits giftige Blicke zuzuwerfen.
»Das ist nicht die Schuld der Amyrlin«, sagte Katerine. »Dafür haben Eure albernen Rebellen und ihr Verrat gesorgt!«
Meine Rebellen?, dachte Egwene und
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