Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition)
Aussaat durch den Menschen angewiesen. Er würde, wenn er nicht ausgesät wird, von der Erdoberfläche verschwinden. So viel zur Evolution.« Ich sage, daß ja wohl niemand etwas gegen Kulturmais einzuwenden hat. »Nein, aber wenn ich durch Züchtung jetzt z. B. eine Rapspflanze erreiche, deren Blüten sich nicht mehr öffnen – und das gibt es –, wieso soll das besser sein oder gut sein, nur weil’s gezüchtet wurde ohne Gentechnik?! Ich muß mir das Ergebnis angucken, ich darf nicht alles verteufeln, nur weil’s GVO ist.« Wir hingegen finden sowohl das eine, als auch das andere verteufelnswert.
Nach einem erquickenden Rundgang übers Gelände, bei dem uns Frau Dr. Genersch ihr Labor zeigte, in dem ihre Doktorandin grade mit Bienenlarven arbeitet, kehren wir zurück ins Institutsgebäude. Im Erdgeschoß betrachten wir einen Schauraum, angefüllt mit Vitrinenschränken, auf denen alte, geflochtene Bienenkörbe stehen. Es gibt große, auseinandernehmbare Bienenmodelle, Waben, Honig und altmodische Rollbilder, auf denen Bienen den Stock ausfegen, den Maden das Fläschen geben und eimerweise Honig herbeischleppen. Wieder im Büro, seufze ich: Die Bienen sind nicht wegzudenken. »Sie sind tatsächlich unverzichtbar für unser Ökosystem, so wie es jetzt ist«, sagt Frau Dr. Genersch und fügt hinzu: »In unserem jetzigen Ökokultursystem, weil ja auch viel Kulturlandschaft dabei ist, da würde sich dramatisch was ändern, wenn es die Honigbiene nicht mehr gäbe. Keine Frage. Die Bestäubung wäre nicht mehr ausreichend, um die Quantität und Qualität zu bringen, an die wir uns so gewöhnt haben. Wenn wir aber damit leben könnten, daß der Apfel nicht EU-Handelsklasse eins hat, und nicht endlos zur Verfügung steht, dann könnten wir auch mit der Bestäubung leben, die die übrigen Insekten leisten. Der Mensch stirbt nicht aus ohne die Bienen. In Amerika hat es vor den amerikanischen Siedlern keine Honigbienen gegeben. Die Siedler haben die Honigbiene im 18. Jahrhundert eingeschleppt. Und die Menschen dort haben vorher auch gelebt. Die Biene ist für uns unverzichtbar. Überleben können wir ohne sie.«
Verlag Antje Kunstmann GmbH,
München 2012
Umschlaggestaltung: Michel Keller, München
Datenkonvertierung: Fotosatz Amann, Aichstetten
ISBN 978-3-88897-799-2
www.kunstmann.de
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