Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition)
der Glaube an ein Märchen war. Es gibt diesen nahen Verwandten zwar, aber er ist genauso gefährlich für die Bienen! Und wir konnten beweisen, daß alle Vertreter dieser Spezies, egal, wie sie vorher genannt wurden, die Symptome der Faulbrut verursachen in den Larven, nämlich Zersetzung zur fadenziehenden Masse. Das heißt, wir bewegen doch wirklich was.
Wir bekommen auch Anerkennung, muß ich sagen. Sie läuft über die Veröffentlichung in einem internationalen Journal, es ist zuständig dafür, die korrekte Klassifizierung von Mikroorganismen zu veröffentlichen. Die haben einen extrem genauen Gutachterprozeß. Vor jeder Veröffentlichung wird akribisch überprüft, denn im Moment der Veröffentlichung ist es international verbindlich. Na ja, das war nicht das Einzige, das wir gemacht haben, sondern wir haben auch gezeigt, daß es Gefährlichkeitsunterschiede bei den Erregern gibt; das war bisher nicht gedacht oder nicht untersucht worden – eigentlich eine Banalität –, aber wir konnten zeigen, es gibt Virulenzunterschiede. Also, für unseren Bereich ist natürlich die Anerkennung in den USA immer so ein Maßstab dafür, daß man es jetzt geschafft hat, über die eigene Grenzen hinaus bekannt zu sein. Ich habe gute Kooperation mit amerikanischen Bienenforschern und bin jetzt auch beteiligt an der Annotierung von dem Genom des Bakteriums, ich bin zuständig für die Gefährlichkeitsfaktoren. Und dazu bin ich eben eingeladen worden aus den USA, und das ist eine Anerkennung unserer Arbeit hier. Also, wir gehören, was das angeht, möchte ich mit Stolz sagen, weltweit zu den führenden Laboren. Unser kleines Labor hier.
Das muß auch anerkannt werden, damit es nicht so eine Nischenexistenz in einem Bieneninstitut fristet. Bienenpathologie muß ein eigenständiges Forschungsgebiet werden, was auch Geld braucht, und wo man die Kompetenz bündelt, um die richtigen Zusammenhänge zu finden, beispielsweise bei der Virusforschung. Das ist übrigens unser drittes Standbein. Wir haben drei Standbeine: Amerikanische Faulbrut, Darmparasiten und Viren. Mich interessiert Varroa als Virusübertragung. Der Überträger, die Varroamilbe, ist ein sogenannter Ektoparasit, ein Spinnentier mit acht Beinen. Es siedelt auf der Biene, saugt Haemolymphe durch die Zwischenringhäutchen aus seinem Wirt und ist mit bloßem Auge zu sehen. Es verbreitet sich, ebenso wie auch die anderen Krankheiten, durch Übertragung von Stock zu Stock, durch Räuberei und Verflug. Die Bienen verfliegen sich manchmal, finden nicht in den eigenen Stock und fliegen woanders rein. Und die Bienen räubern! Also, wenn ein Volk schwach wird, merken das andere Bienen, dann fliegen sie los und räubern das Volk aus und holen sich den Honig. Ist ja viel einfacher, statt sich Blüten zu suchen, den fertigen Honig rauszuräubern.« Wir lachen, meine Freundin Elisabeth bemerkt trocken: »Wie menschlich!« Frau Dr. Genersch lächelt und sagt: »Richtig! Oder es gibt auch das Einbetteln. Bienen aus einem schwachen Volk kommen angeflogen und betteln sich ganz vorsichtig bei den Wächterbienern ein, geben ihnen etwas Honig und dürfen rein. So ein Parasit wie die Varroamilbe, der hat genug Möglichkeiten, sich zu verbreiten. Durch das Verhalten der Bienen, aber auch durch imkerliche Praktiken. Imker stellen die Waben von einem Volk ins andere usw., dabei übertrage ich natürlich.
Und jetzt kommen wir zum Eigentlichen: Die Varroamilbe vermehrt sich nicht auf der Biene, sondern auf der Bienenbrut bzw. in der verdeckelten Zelle. Mit Beginn der Metamorphose verdeckeln die Ammenbienen die Zellen der Streckmaden, und kurz vor der Verdeckelung steigt die Varroamilbe, also das Muttertier, hinein, läßt sich mitverdeckeln und legt zuerst ein Ei, aus dem sich ein Männchen entwickelt. Danach legt sie ein paar Eier, aus denen sich Töchter entwickeln, die vom Sohn befruchtet werden. Danach stirbt der Sohn. Die Milben entsteigen zusammen mit der fertigen Biene der Zelle, und bis dahin saugen sie auch Haemolymphe. Dabei können sie das Flügel-Deformationsvirus übertragen. Das Flügel-Deformationssymptom ist unser Hauptmodellsystem, weil es relativ einfach zu untersuchen ist. Normalerweise haben Sie bei Bienenviren nur die zwei Zustände, lebend oder tot. Es gibt keine Symptombeschreibungen, wie bei unseren Viruserkrankungen. Das ist beim Flügel-Deformationsvirus (DWV-Virus) anders. Dieses Virus verursacht, wenn es von der Varroamilbe, während sie auf der Puppe
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