Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition)
aber sie haben nur eine Lebenszeit von zwei bis drei Wochen im Sommer, länger leben sie nicht, die Arbeiterinnen. Bei den Winterbienen ist es anders, sie müssen vier bis sechs Monate überleben. Jetzt grade – ab Juli, August – werden die Winterbienen großgezogen. Und weil das Bienenjahr zu Ende ist, müssen wir demnächst anfangen, die Bienen einzufüttern. Sie fliegen natürlich noch bis Oktober, aber was sie da eintragen, das reicht ja nicht, um das Volk über den Winter zu bringen.
Weil wir ihnen ja vorher allen Honig ›geklaut‹ haben, können wir sie nicht auf dem bißchen sitzen lassen, das sie über die Spätsommerwiesen noch reinkriegen. Ich habe meine Bienen letztes Jahr mit ganz normalem Haushaltszucker, in Wasser aufgelöst, gefüttert. Das ist eine der Methoden. Und das ist nicht wirklich schlechter als der Honig. Alles, was Heilkraft ist am Honig, das hat die Biene reingebracht, sozusagen durch Bienenspucke. Wenn nun die Bienen Zuckerwasser eintragen, dann verarbeiten sie es genauso wie den Blütennektar, geben ihre Enzyme und alles dazu und machen daraus ihr Winterfutter. Die Bienen sind es ja gar nicht mehr anders gewohnt. Seit 8000 Jahren wird Bienenhaltung betrieben. Und es ist natürlich auch ein Ergebnis der Zucht, daß sie viel mehr sammeln, als sie brauchen. Bis zum Zehnfachen dessen, was sie als Winterfutter bräuchten. So ein Wirtschaftsvolk kann in einem Jahr 40 bis 50 Kilogramm Honig sammeln. In Syrien z. B. liegt die Leistung bei fünf bis zehn Kilogramm pro Jahr. Hier am Institut gibt es jetzt ein Projekt: Durch gezielte Zucht soll in anderen Ländern, die noch keine Hochleistungsbiene haben, die Honigleistung verbessert werden. Gut, das sollte jetzt nur ein kleiner Überblick für Sie sein.
Mein Fachgebiet ist ja Bienenkrankheiten. Also dadurch, daß die Biene seit Jahrtausenden das Nutzinsekt ist, haben wir die einmalige Situation, daß wir ihre Krankheiten recht gut kennen. Wir wissen, wie die Krankheiten aussehen; das ist zwar sehr gut beschrieben, aber sie sind bei weitem nicht so gut untersucht. Bienenkrankheiten sind zu lange stiefmütterlich von der Forschung behandelt worden. Also, es ist total faszinierend. Bienen können, vom Erreger her, alle Infektionskrankheiten bekommen, die auch bei anderen Tieren und beim Menschen vorkommen. Also Viruskrankheiten, bakterielle Erkrankungen, Pilzkrankheiten. Und Bienen haben Parasiten. Die Bienenkrankheiten sind eine phantastische Nische. Jede Frage, die wir als Molekularbiologen stellen, ist quasi noch unbeantwortet und eröffnet ein neues Projekt. Da ist noch eine direkte Wirkung der Forschungsergebnisse möglich, ich kann richtig von unten anfangen.
Wie faszinierend das ist, kann man am Beispiel der amerikanischen Faulbrut sehen. Die AFB ist eine bakteriell Erkrankung der Honigbienenlarven, ist weltweit verbreitet, hochansteckend und führt in der Regel zum Zusammenbruch der erkrankten Völker. In Deutschland ist sie eine anzeigenpflichtige Tierseuche. Bereits der Verdacht muß dem Amtstierarzt gemeldet werden. In Deutschland ist die AFB extrem häufig. Sie ist nicht zu behandeln, wenn sie erst einmal ausgebrochen ist. In aller Regel wird der Amtstierarzt das Abschwefeln der erkrankten Völker verfügen, also das Töten. Der Erreger der AFB ist ja ein Bakterium, was Sporen bildet. Die infektiöse Form sind die Sporen. Wenn die im Futtersaft sind, dann verfüttern sie die Ammenbienen an die Larven, und die zersetzen sich dann zu einer fadenziehenden Masse. Beim Versuch, die Zellen für die nächste Eiablage zu reinigen, kontaminieren sich die Ammenbienen mit den Sporen, die sie dann auf die nächste Brut übertragen, die immer kränker wird. Dadurch schaukelt es sich auf.
Und was nun die Forschungsarbeit betrifft, so haben wir ein Rätsel in der Faulbrutdiagnostik lösen können, also unsere Arbeitsgruppe hier am Institut. Es gab bis dahin Diagnoseprobleme, es gab Fälle, in denen das Volk sichtbar krank war; das Labor konnte aber, wenn es sich an die Regeln gehalten hat, den Erreger nicht nachweisen. So konnte der Amtstierarzt dann die Seuche auch nicht offiziell als ausgebrochen erklären. Das war natürlich ein großes Problem. Und man muß sich das mal vorstellen: 100 Jahre nach der Erstbeschreibung des Erregers haben wir das Rätsel gelöst. Wir haben gezeigt, mit molekularen Methoden, daß der Glaube, der fünfzig Jahre existierte, daß es einen nahen Verwandten gibt, der aber nicht gefährlich ist für die Bienen,
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